Autor Thema: Indien 2012 - 7: Jodhpur - In die Wüste Thar (50 B.)  (Gelesen 10980 mal)

Roni

  • MstsForum.info
  • Administrator
  • *****
  • Beiträge: 981
Indien 2012 - 7: Jodhpur - In die Wüste Thar (50 B.)
« am: 03. April 2012, 15:05:06 »
Hallo!



Der vorherige Teil der Reportagen:
Indien 2012 - 6: Jodhpur - Die Blaue Stadt (50 B.)
http://www.mstsforum.info/index.php?topic=3195.0



Das Video zum Bericht:
http://www.youtube.com/watch?v=Ln9ntoVBVts&hd=1




7. 2. 2012


Am Nachmittag ging es zum Sightseeing in Serpentinen hinauf zum beeindruckenden Mehrangarh Fort von Jodhpur.




In der Ferne zu sehen war der Umaid-Bhavan-Palast, ein 1929-43 erbauter megalomanischer Prachtbau für den damaligen Maharadscha, das eines der größten privaten Gebäude der Welt sein soll:
http://de.wikipedia.org/wiki/Umaid-Bhavan-Palast




Im Fort musste man nun zum exquisiten Palast aufsteigen, der sich wieder durch extrem feine Steinmetzarbeiten auszeichnete. Dazu war noch einiges der Innenausstattung der ehemaligen Rajputen-Herrscher erhalten, und man erhaschte immer wieder tolle Ausblicke auf die Umgebung mit Stadtmauer und den weiteren Sehenswürdigkeiten Jodhpurs. Die Besucher waren wieder bunt gemischt, einige der Leute in Wohlfahrtsuniformen sahen sich den Palast an, ebenso zwei ältere Japanerinnen, die mit drei Nikon-DSLRs und Riesenrohren ausgestattet waren, eine Dame trug eine Nikon-Jacke und hielt eine Canon-Jacke im Arm. Als ich sie danach fragte, konnte sie aber leider nicht genug Englisch.

Mehr über eines der größten Forts Indiens hier: http://en.wikipedia.org/wiki/Mehrangarh_Fort





Blick auf die blauen Häuser der Altstadt.














Die Aufpasser waren gezwungen, in historischen Kostümen zu erscheinen.














Das wahnwitzig dekorierte Innere des Phool Mahal (= Blumenpalast) aus der ersten Hälfte des 18. Jhdts.














Extrem detaillierte Fassaden.














Meine Freunde, die Streifenhörnchen, waren auch wieder anwesend.




Das Tor zur Stadt.














Gleich in der Nähe die dritte Hauptsehenswürdigkeit Jodhpurs: das Jaswant Thada Mausoleum aus dem Jahr 1899.



Der schöne Rundgang war nun zu Ende, und ich hatte keine Lust auf die chaotische Stadt. Auch wenn man merkt, dass in Rajasthan nicht ganz so viele Menschen leben, Jodhpur ist doch eine Millionenstadt. Beim Zurückfahren wurde ich noch abgezockt, die Fahrer am Berg nutzen es voll aus, dass man ohne sie feststeckt. Ein bisschen konnte ich dann doch Runterverhandeln, die Art hatte ich schon halbwegs draußen, einfach stur bleiben, dann klappt es schon. Man kann davon ausgehen, dass der Ausgangspreis ohnehin viel zu hoch ist. Am Weg zurück begegnete mir noch eine Pferdekutsche voller Schulkinder, in Raika Bag sah ich im Vorbeifahren eine Plasser&Theurer Maschine, dann zog ich mich zur Ruhe ins Hotel zurück, schließlich habe ich noch viele volle Tage auf der Reise vor mir.





8. 2. 2012


Heute war der große Wüstenreisetag der Rundfahrt, nicht nur das, ich würde den normalen, nur aus unreservierter 2. Klasse bestehenden Personenzug dafür nehmen. Solche Experimente sind in Indien nur ratsam, wenn man weiß, dass man in die einsamste Gegend des Landes fährt. Ich bestellte mir eine Stunde vor Abfahrt ein Tuk-Tuk zum Bahnhof, noch war jedoch der Jodhpur – Jaisalmer (sprich: http://en.wikipedia.org/wiki/File:Jaisalmer.ogg ) Passenger nicht am angekündigten Bahnsteig abgestellt. Ich machte ein paar Aufnahmen von ein- und ausfahrenden Expresszügen und dem bunten Leben am Bahnsteig. Mitanzusehen, wie sich jemand an einer Lacke am Bahnsteig mit den Händen die Zähne reinigt, fällt allerdings schon schwer. Dann sah man wieder die menschliche Seite, als der Guard einen halb ausgefahrenen Express extra für eine alte Dame noch einmal anhielt, die es gerade nicht mehr geschafft hätte. Es wurde eine Expressgarnitur auf Bahnsteig 5 geschoben, ich fragte den Verschieber, der meinte, der Jaisalmer Passenger würde schon herkommen. Jetzt entdeckte ich die Garnitur auch schon zwischen zwei Bahnsteigen an der Anlage zum Wasserauffüllen. Einige Wagemutige gingen mit Sandalen durch die Kloake, die sich hier aus Wasser, Fäkalien, Spucke und Müll zwischen den Gleisen gebildet hatte, schon hinüber und stiegen ein. Ich wartete doch lieber und bestieg dann das letzte Abteil im hintersten Wagen. Dies stellte sich als goldrichtig heraus, denn so blieb ich im bevölkerungsreicheren Teil der Fahrt von den gröbsten Menschenmassen verschont, andererseits saß ich im letzten Drittel nach Fahrtrichtungswechsel in Pokaran direkt hinter der Lok, Abu Road WDM-2 16799. Neben mich setzte sich eine nette Familie mit zwei kleinen Jungen, der kleinere besonders süß. Wir starteten mit etwas Verspätung, in Raika Bag kreuzten wir den ersten WDG-4 bespannten Güterzug. Hier wusste ich, dass erst die richtigen Menschenmassen kommen würden. Tatsächlich, ab hier standen auch Leute am Gang. Ein Alter befehligte ein paar Leute herum, und schon saßen wir komplett mit einigen Kindern im 8+2er Abteil. Die Wagen sehen aus wie das älteste Material, es ist allerdings auf jedem das Baujahr aufgestempelt – meiner stammte von 2008! In Raika Bag zweigt die Strecke nach Jaisalmer ab, ab hier gibt es bis auf eine Station nur noch Formsignale und Zugabfertigung mittels Tokens.

Die Morgenbilder aus Jodhpur waren schon im vorherigen Reportageteil zu sehen.


54280 JU-JSM PASSENGER

1 JU Jodhpur Jn 08:30 NWR 0 1
2 RKB Rai Ka Bagh Palace08:36 08:37 1 NWR 2 1
3 MMC Mahamandir 08:49 08:50 1 NWR 4 1
4 MDB Mandor 09:00 09:01 1 NWR 10 1
5 MMY Marwar Mathaniya09:20 09:21 1 NWR 33 1
6 TIW Tivari 09:33 09:34 1 NWR 43 1
7 OSN Osiyan 09:53 09:54 1 NWR 64 1
8 BKC Bhikamkor 10:08 10:09 1 NWR 79 1
9 SRK Samrau 10:20 10:21 1 NWR 89 1
10 MWT Marwar Lohawat 10:38 10:39 1 NWR 108 1
11 STSN Shaitansinghanagar10:54 10:55 1 NWR 123 1
12 PLC Phalodi 11:37 11:42 5 NWR 137 1
13 MBT Marwar Bithri 11:54 11:55 1 NWR 147 1
14 MKHR Marwar Khara 12:10 12:11 1 NWR 162 1
15 RDRA Ramdevra 12:28 12:29 1 NWR 183 1
16 POK Pokaran 12:45 13:10 25 NWR 195 1
17 AQG Ashapura Gomat 13:16 13:17 1 NWR 199 1
18 OCH Odhaniya Chacha 13:33 13:34 1 NWR 216 1
19 SBLT Shribhadriya Lathi13:52 13:53 1 NWR 237 1
20 JCH Jetha Chandan 14:11 14:12 1 NWR 258 1
21 THM Thaiyat Hamira 14:32 14:33 1 NWR 282 1
22 JSM Jaisalmer 15:30 Last Stn NWR 301 1






Nun zeige ich noch ein paar Außenaufnahmen aus Raika Bag mit dem selben Zug am Vortag (7. 2. 2012), gezogen von Abu Road WDM-2 16825.

Die Ärmsten verdienen ihren Lebensunterhalt durch Müllsammeln, Gleise sind hier besondere Fundgruben.




Langsame Ausfahrt aus Raika Bag, in Indien wird selten gleich beschleunigt, da immer noch Leute auf- und abspringen.









Erfahrenes Lokpersonal.




Der letzte Waggon mit Guard in der Kurve 1 der Strecke nach Jaisalmer. Die Waggons haben übrigens auch etwas mit Europa gemeinsam, sie basieren auf einem Schlieren-Design - wenn man genauer schaut, sieht man die Ähnlichkeiten.




Alle Bilder ab jetzt wurden mit der kleinen Powershot aufgenommen.

Der liebe Kleinste der Mitreisenden.
Jedes der Fenster besteht aus hochschiebbarem Glas, hochschiebbarer Sonnenblende und Diebstahlsicherheitsstangen, bis auf die Notausstiegsfenster.




Im Waggon herrscht immer kühle, dunkle Stimmung, da die Fenster so tief angeordnet sind - essentiell für heißere Jahreszeiten.




Jetzt war es mit dem Zuckeltempo aus, zwischen den Stationen nahm der Zug eine ordentliche Geschwindigkeit auf, nur in die und aus den Stationen wurde gezuckelt. Zumindest beim ersten Mal Befahren war die Strecke sehr interessant, wenn auch nur nahe Jodhpur ein bisschen hügelig. Außerhalb der Stadt fanden sich ebenfalls blau bemalte Dörfer. In Marwar Mathanya kam ordentlich Verspätung dazu, da wir eine Güterzugkreuzung abwarten mussten. Mit GM-Donner und Hupen fegte die BGKT WDG-4 mit einem enormen Zug durch die Station (siehe Video, Minute 20:50). Glücklicherweise waren die Diebstahlsicherheitsstangen in perfektem Abstand für meine kleine Kamera für Videos und gelegentliche Schnappschüsse. Während der Fahrt änderte sich der Charakter der Landschaft ständig, manchmal eher Steppe, manchmal fruchtbares Agrarland. Senffelder sah ich oft in Indien, auch hier. Die Menschen sind zum Teil exotischer gekleidet mit bunten Turbanen, zudem konnte das eine oder andere Kamel gesichtet werden. Ansonsten tat sich nicht so viel an exotischer Fauna, gelegentlich hüpften Antilopen durch die Gegend. Zwischen Dörfern mit niedrigen Häusern und Flachdächern fanden sich manchmal Rundhütten.











Wir hatten durch die Kreuzung 30 Minuten Verspätung aufgerissen, doch Dank großzügiger Fahrzeiten kurz vor wichtigen Stationen kamen wir fast pünktlich gegen Mittag zum größten Unterwegsbahnhof, Phalodi Junction. Dies war der einzig modernisierte Bahnhof mit Mittelbahnsteigen und Lichtsignalen, sowie einer neuen abzweigenden Strecke nach Bikaner, die ich auf keiner Karte finden konnte. IRFCA-Freunde haben sie später besucht, an einer Stelle kommt man mit dem Zug direkt an Dünen vorbei: http://www.flickr.com/photos/shanx13/6809505938/in/photostream/lightbox

Die brandneue WDP-4B 40074, noch ohne Schuppenbezeichnung, war mit dem Gegenzug 54819 JSM-JU Passenger unterwegs.









Gleisarbeiter sind hier teilweise mit leuchtenden Turbanen und Goldohrringen bekleidet.




Ein Blick zurück in die moderne Station.




Nun war schon mehr Platz im Waggon.




Der ältere Bursch der Familie.




Immer wieder unterwegs sieht man natürlich Militärkonvois, denn für die indische Armee ist das eine der Hauptnachschubrouten. Jaisalmer liegt fast so weit von Jodhpur entfernt, wie von Karachi, indische Siedlungen gibt es westlich der Stadt praktisch keine mehr, nur Wüste und die pakistanische Grenze. Ramdevra war der Endpunkt für viele Reisende, so auch meine Familie, von hier kann ein Tempel erreicht werden. Ich war nun ungewohnt allein im Abteil, der Waggon ziemlich leer.






Ramdevra.




10 Plätze pro Abteil, geht ganz bequem, nur bleibt es oft nicht bei der Anzahl Leute.




Oft in Indien gibt es diese mehr oder weniger kunstvollen Malereien für das Stille Örtchen an Bahnhöfen.




Im Wagen sieht es so aus, mit zwei gegenüberliegenden WCs, in klimatisierten Waggons davon eines im "westlichen Stil" mit Schüssel, davor noch eine zusätzliche Waschgelegenheit. Die Ausstattung und Sauberkeit war generell in Ordnung, natürlich in höheren Klassen besser, da habe ich in Südosteuropa schon wesentlich Schlimmeres erlebt.




In Pokaran wird der Zug über ein Gleisdreieck zum Kopfbahnhof geleitet, am anderen Ende des Dreiecks liegt die Station Ashapura Gomat, wo schon der 14073 Jaisalmer - Lalgarh (Bikaner) Express wartete, der Pokaran rechts liegen ließ. In Pokaran ist eine Armeebasis, ein Fort aus dem 14. Jhdt. und ein reger Güterumschlagsplatz, ersteres ist wohl Grund für die sehr nötige Umleitung in flacher Wüstenlandschaft. Die Lok BGKT WDM-2 16799 setzte nun vor meine Nase um, ich konnte ab jetzt den ALCO-Sound voll genießen.






Sehr bekannt vorkommende Bahnübergangsverkehrszeichen, ich sah auch Exemplare mit dem Schrankenabbild im Dreieck.




Geschäftiges Treiben auf Schiene und Straße (oder was sich als solche ausgab...)




Wir kamen vorerst nur bis zum mit Formsignalen gespickten Ashapura Gomat, hier blieb der Zug fast eine Stunde stehen, um eine Kreuzung mit einem Güterzug abzuwarten. Wieso genau hier, bleibt wohl ein Rätsel, denn die nicht weit entfernten Nachbarstationen boten genug Platz zum Kreuzen, allerdings stand in der nächsten ein Militärzug, vielleicht wurde so etwas blockiert.






Ich hatte schon befürchtet, dass es ein Problem mit dem Zug gab, denn es gab keine Anzeichen, dass sich etwas tun würde. Ein netter Eisenbahner, der mich wohl fotografieren gesehen hatte, machte mich aufmerksam, dass der Gegenzug jetzt kam. Was jetzt folgte war die perfekte Wüstendieselszene, der durchrasende Güterzug mit aufgewirbeltem Staub, Luftflimmern und sieben Formsignalen im Bild.






Katni WDG-3A 14594 mit dem ultimativen Wüsten-Güterzug.




Dafür zahlte es sich aus zu Warten, und die Lokmannschaft gab nun entsprechend Stoff, was in passendem ALCO-Konzert resultierte (siehe Video).

Endlich ging es wieder voran, natürlich immer mit Token-Übergabe, wie hier, in der nächsten Station Odhaniya Chacha.




Begegnung mit der als Lokzug Richtung Osten verkehrenden Abu Road WDM-2 16840 in Shribhadriya Lathi.




So sieht die Wüste Thar großteils aus, es existieren nur vereinzelt Sanddünen, der Rest besteht aus sandiger Fläche mit trockener Vegetation.




Im nächsten Teil widmen wir uns dem Wüstentraum Jaisalmer!  :)