Autor Thema: Orient-Express 1: das 21. Jahrhundert (50 B.)  (Gelesen 15132 mal)

Roni

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Orient-Express 1: das 21. Jahrhundert (50 B.)
« am: 09. August 2013, 05:44:38 »
Hallo!


Da ich wieder einmal Lust zu "something completely different" verspüre, geht es in andere Gefilde - wohin uns die Reise überall hinführt, werden wir noch sehen... :-)

Zunächst wollen wir uns die modernen Nachfolger des namensgebenden Zuges ansehen, wobei wir die älteste Route halbwegs originalgetreu beibehalten:
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Orient-Express_1883-1914-3.png

Ein einziges Mal hatte ich den Versuch gestartet, den EuroNight 262 "Orient-Express" von Wien bis nach Paris zu nutzen - doch leider ließ uns die SNCF am 13. 8. 2002 in Straßburg stranden, Weiterfahrt im Corail-Tageszug (natürlich lange vor der LGV Est). Unsere Schlafwagenbetreuerin meinte, dass dies häufiger der Fall war - ein paar Jahre später wurde der Laufweg des Zuges als EN 264 und dann 468 ja ohnehin nach Straßburg verkürzt bis die endgültige Einstellung im Dezember 2009 erfolgte.




Kurz nach Mitternacht am 20. 7. 2006 verließ EN 262 Salzburg Hbf über die alte Salzachbrücke.




Eine Alternative: am 29. 9. 2007 kehrte eine IGE-Langstrecken-Dampfsonderfahrt vom Bosporus zurück, hier in Marchegg soeben von 919.138 aus Bratislava (wo auch der Original-Express Station machte, siehe Karte) übernommen.




Weiter ging es mit 01 1066 an der guten alten Westbahntrasse in Melk.









Beim Durchschauen des Archives fiel mir auf, dass ich den modernen Orient-Express eigentlich immer nur zufällig oder nebenbei fotografiert habe - die Westbahn war wohl nie so interessant für mich... ;-)
Nun, am 20. 5. 2004 düste EN 263 aus Paris pünktlich in Böheimkirchen an mir vorbei.




Und am nebeligen 7. 11. 2003 in Hütteldorf.




Zeit fließt: EN 264 "Orient-Express", schon nach Straßburg, verlässt Wien West am Abend des 12. 5. 2007.




Nun aber zu dem einzig legitimen Nachfolger des "Orient-Express" östlich von Wien: dem (damals) D 347 "Dacia" Wien - Bukarest mit Kurswagen nach Belgrad sowie ("manchmal") BDZ-Schlafwagen nach Sofia, wohl als Ein-Wagen-Orient-Express zu bezeichnen. Am 2. 11. 2008 bestiegen ein Freund und ich den Zug, allerdings trauten wir bei der Buchung dem bulgarischen Wagen nicht, denn dieser blieb öfters in Budapest über, und buchten uns stattdessen in den herrlichen ÖBB P-Wagen nach Belgrad. Eindeutig meine Lieblings-Schlafwagenabteile, in dieser Tagessitzanordnung. Der Halbmond über unseren Köpfen stimmte uns schon auf die Tour ein.




Ein schönes Gefühl im gemütlichen Schlafwagenabteil zu sitzen oder liegen und draußen den Rummel am Bahnsteig zu verfolgen.




Nun ein paar "Dacias" nahe Wien: GySEV 1047.504 "Joseph Haydn" mit D 347 am 28. 8. 2009 auf der Verbindungsbahn bei Wien Speising.




D 346 am 18. 4. 2004 bei Maxing zeigt die vielen bunten Zusammenwürfelungen, die dieser Zug im Laufe der Zeit über sich ergehen lassen musste.




Zum letzten Mal komplett mit bulgarischem Wagen fotografierte ich D 346 am 24. 5. 2011 auf Umleitung in ungewohnt hügeliger Landschaft an der GySEV-Horseshoe-Curve von Draßburg.




Der Zug ist ein guter Sonnenuntergangs-Kandidat, D 347 vor Gramatneusiedl, 30. 5. 2008.




Im Bahnhof von Gramat, 6. 7. 2006.




Und vor Götzendorf am 10. 6. 2008.




Bei Sarasdorf begegnete der Zug genau einer 1042, 22. 6. 2005.




Zeit fließt bei Parndorf, 20. 6. 2005.
Es gibt ja sogar Motive im Maisfeld zwischen Wien und Belgrad... ;-)




In die Gegenrichtung war der "Dacia" immer ein Muntermacher nach Ankunft per "Kálmán Imre" in Györ beim Umsteigen Richtung Pápa, 1. 11. 2011.




Erstaunlicherweise pünktlich auf die Minute - mit Wagengruppe aus Belgrad.




Wieder fast komplett am 5. 11. 2011.




Nun geht die Reise aber richtig los: um Mitternacht am 3. 11. 2008 kam im D 341 Budapest - Beograd das eiskalte Händchen am Fenster vorbei. ;-)




Aussicht auf einen OSE-Wagen mit Spiegelung in Belgrad und mögliche zukünftige Ziele (Aufnahme stammt allerdings vom 3. 7. 2009).




In Belgrad statteten wir natürlich zunächst dem guten Herrn Popovic im Wasteels-Büro einen Besuch ab, wir benötigten weitere Reservierungen und meinen Balkan-Flexi-Pass 2. Klasse für 5 Tage.




Weiter ging es um 8:40 im B 491 "Balkan Express", der TCDD-Wagen nach Istanbul hing dran - zunächst dachten wir, es sei wie vermutet ein Liegewagen, doch er erwies sich als Schlafwagen.




Auch der BDZ-Wagen war schon ab Wien dabeigewesen, wir hatten uns mit dem Schaffner auf ein Abteil unter tags bis Sofia geeinigt und eine Verschubrunde damit gedreht.




Für ein auf offizieller Fahrkarte notiertes, verhandeltes Bakschisch gab es sogar ein luxuriöses Doppelabteil für uns! Die Fenster konnte man ob der Sauna-artigen Heizung im Wagen auch im November immer aufgerissen lassen, zudem herrschte draußen herrlichstes Herbstwetter.




An dem Tag leuchteten nicht nur die ZS-Waggons.




Zu der Zeit konnte man noch ein paar wenige altlackierte Loks beobachten.




Vorbei an Topcider.




Hinter Belgrad ging es manchmal langsam voran, mit einigen 10/20 km/h Langsamfahrstellen, die insgesamt bis Nis aber nur eine Verspätung von 25 Minuten verursachten.

In Paracin teilte mir ein Lokführer alter Garde am Bock der 441-042 mit, dass Fotografieren verboten sei. Ich spielte nix wissta Turista und winkte ihm freundlich zu, da war es ihm offensichtlich peinlich, und er winkte zurück... Fotogenehmigung hatte ich mir für die Durchfahrt durch Serbien keine genommen, das wäre ja kein vertretbarer Aufwand.




Ein cooles Volga-Vehikel ebendort, sogar in Neulack (ist das der Ansatz eines Heckspoilers?)!




Nach Stalac geht es traumhaft durch das Tal der südlichen Morava.




Bei Brajina fährt man direkt am Kloster St. Nikolaus vorbei.




Kurz vor der halbwegs pünktlichen Abfahrt setzte sich in Nis die original-GM 661-152 vor den türkischen Schlafwagen. Neben den blödelnden Eisenbahnern stellte ich mich kurzentschlossen mit der Kompaktkamera hin und machte zumindest das eine Dokumentarbild.




Es folgt: die herrliche Fahrt durch die Nisava Schlucht, eine dreiviertel Stunde ab Nis erreicht man die zumindest fotografisch am besten verwertbare Stelle in Ostrovica.









Kurz vor einem Steinbruch wird am selben Ort die Nisava überquert.














Ab Dolac weitet sich das Tal wieder.









In Ciflik kreuzten wir den Gegenzug B 490 mit 661-138 in identer Zusammenstellung.




Regionalzüge gab es auf dieser Strecke nicht (heutzutage zumindest Nis - Bela Palanka), danach konnten wir einem Stunt auf offener Strecke zuschauen, wie tatsächlich jemand mitsamt Gepäck aus dem Zug sprang...




An der Ausfahrt aus Pirot.




Mit einer halben Stunde Verspätung erreichten wir die Grenze im serbischen Dimitrovgrad, wo ich erstmals abfahrtsbereite Güterzüge sichtete, davor auf der gesamten Strecke nichts. Die Grenzkontrolle zog sich hin, mit einer Stunde im Plus setzten wir die Fahrt fort.




Doch offensichtlich war die BDZ null am Vorankommen unseres Zuges interessiert - eine weitere Stunde kam noch hinzu, nur weil man den "Balkan Express" einfach stehen ließ, um auf irgendwelche Regionalzüge zu warten. Letztendlich erreichten wir Sofia zur Weiter/Abfahrtszeit. Das machte aber nichts, denn der selbe Zug (OK, der selbe TCDD-Wagen) fuhr nach Istanbul weiter, wir mussten nur in einen anderen BDZ-Schlafwagen wechseln. Dort stellte sich der Schaffner zunächst bockig, da auf unserer Reservierung aus Belgrad eine falsche Wagennummer aufgeschrieben war. Er schickte uns schon weg, doch wir insistierten und er checkte die Reservierungscodes, dann war plötzlich alles in Ordnung. Mit einer halben Stunde Verspätung fuhren wir gegen acht Uhr ab, der Halbmond lag verheissungsvoll deutlich über dem Land. Stress mit der Grenze gab es allerdings nicht, denn in der Nacht rissen wir zwei Stunden Verspätung in Bulgarien auf. Im zweiten Dimitrovgrad innerhalb weniger Stunden stieß am 4. 11. 2008 der Zugteil aus Bukarest dazu. Über die Grenze ab Svilengrad brachte uns eine BDZ-Ludmilla, in Kapikule, wo man zur Grenzkontrolle aussteigen muss, wurde TCDD E52518 angekuppelt. Obwohl wir uns vorher schlau gemacht hatten, tappten wir in die Visumfalle und mussten noch einmal zum separaten Verkaufsschalter, bevor wir uns bei der Einreise anstellten. Es ging aber alles recht schnell und problemlos, bald konnten wir wieder ins Bettchen.

Dank noch immer 1:45 h Verspätung konnte man schon nach 8 Uhr in Cerkezköy fotografieren, und juhuuu, schon hatte ich mit DE33060 meinen ersten TCDD-Großdiesel erwischt. Man bemerke auch die Tülomsas-Rollo...




Bis Istanbul hielten wir nun die Verspätung - was auch daran lag, dass bei der TCDD über Stellen, die andernorts 10-20 km/h Langsamfahrstellen sind (siehe Serbien), mit vollem Karacho drübergefahren wird. Jedenfalls konnte man gemütlich lange schlafen (solange man es schaffte sich bei dem Rodeo im Bett zu halten ;-)), es war bis Halkali eher nichts los.
In feuchter Landschaft, bei der man sich die Überflutungen heuer bildhaft vorstellen kann, erreichten wir die Seen am Marmarameer.




In Halkali trafen wir einen lokbespannten Regionalzug nach Uzunköprü.




Auf geht es, durch das Tor zum Orient! :-)

Viper

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Re: Orient-Express 1: das 21. Jahrhundert (50 B.)
« Antwort #1 am: 09. August 2013, 09:33:12 »
Sehr schön!!
Danke für diese und auch Deine anderen Reportagen die ich einzeln kommentieren will.

 
lg.
Viper

messermoser

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Re: Orient-Express 1: das 21. Jahrhundert (50 B.)
« Antwort #2 am: 09. August 2013, 13:14:10 »
Danke fuer den tollen Bericht.
Schoenen Gruss aus Bali
Peterle


Roni

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Re: Orient-Express 1: das 21. Jahrhundert (50 B.)
« Antwort #3 am: 12. August 2013, 15:15:55 »
Hallo!

Danke euch!  :D

Simon

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Re: Orient-Express 1: das 21. Jahrhundert (50 B.)
« Antwort #4 am: 12. August 2013, 23:39:12 »
klasse Bilder
LG Simon

DarkFox

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Re: Orient-Express 1: das 21. Jahrhundert (50 B.)
« Antwort #5 am: 13. August 2013, 18:59:02 »
Servus Roni,

da machst du wieder tolle Bilder. :)

Und diesmal sogar von meiner Heimat Serbien. :D

Ich habe bereits von einigen Leuten, aus meiner Ortschaft gehört, dass zw. Belgrad und Nis die Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h zugelassen sind. :/

Mit freundlichen Grüßen
DarkFox

Roni

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Re: Orient-Express 1: das 21. Jahrhundert (50 B.)
« Antwort #6 am: 14. August 2013, 17:07:02 »
Hallo!

Danke noch einmal!  :)

Regulär fährt man da abschnittsweise recht schnell, sicher schneller als 60.

e-blue

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Re: Orient-Express 1: das 21. Jahrhundert (50 B.)
« Antwort #7 am: 14. August 2013, 22:42:02 »

Wiederum ein schöner Reisebericht unterlegt mit gelungenen, tw. "kalendertauglichen" Bildern. Bei Dir war ja der Weg das Ziel, weil sonst hättest Du doch deutlich bequemer/schneller reisen können.  ;)

lG

e-blue




Roni

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Re: Orient-Express 1: das 21. Jahrhundert (50 B.)
« Antwort #8 am: 16. August 2013, 00:28:41 »
Hallo!

Schneller: ja

Bequemer: definitiv nicht.

Kein Vergleich zwischen einem Flugzeugsitz und einem klassischen Schlafwagenabteil!  ;)