Autor Thema: Orient-Express 6: Trans Anatolien E... (50 B. + 5 Scans)  (Gelesen 11534 mal)

Roni

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Orient-Express 6: Trans Anatolien E... (50 B. + 5 Scans)
« am: 10. Oktober 2013, 20:47:39 »
Hallo!


Zum vorherigen Teil der Serie:
Orient-Express 5: Dogu Ekspresi (50 B.)
http://www.mstsforum.info/index.php?topic=3518.0


Detaillierte Karte des TCDD-Bahnnetzes (Achtung - 12,9 MB):
http://www.tcdd.gov.tr/upload/Files/ContentFiles/2010/harita/TR-M-S-001.jpg



21. 9. 2013

Wir kehren zurück in die Weite der Steppe südlich von Sivas, an den Abzweigebahnhof Bostankaya, der sonst kaum einer menschlichen Behausung dient. Umso erstaunter waren Dg53752, Karabük und ich - wir waren soeben aus dem Dogu Ekspresi gehüpft - , als wir auch nach Abfahrt des Zuges noch ein paar Menschen warten sahen. Zunächst dachten wir noch an nicht im Fahrplan verzeichneten Pendlerverkehr Richtung Sivas, doch dann fiel uns der 4 Eylül Mavi Treni nach Malatya ein, der doch tatsächlich im Blockabstand hinterherbrauste. Dieser Zug hatte etwas weniger als eine Stunde Verspätung, sollte planmäßig eine Stunde nach unserem 1:45 h verspäteten Dogu verkehren.




Trotz Hindernissen sah man schon in die weite Hügellandschaft, die Lampenmasten sind hier eindeutig windschief...




Nachdem auch dieser Express schnell abgefertigt worden war, widmeten wir uns der Fahrdienstleitung. Doch dort herrschte gerade dicke Luft, der Meister schrie andauernd jemanden am Telefon an. Unsere Frage nach dem Karma (GmP/PmG je nach Geschmack) Yolcu Divrigi - Sivas bestätigte unsere Informationen, wir entnahmen den Wörtern "dokuz" und "otuz", dass der Zug wie im Fahrplan vermerkt um 9:30 abfahren sollte. Die zweite Frage war leider weniger von Erfolg beschert, offensichtlich hatte die gesamte TCDD vor kurzer Zeit die Anweisung bekommen, kein Gepäck mehr anzunehmen, also mussten wir unser Zeug mitschleppen. Wir hatten fast 3 Stunden bis zur planmäßigen Abfahrt, also schulterte ich meinen Rucksack, während die anderen beiden ihre Rollköfferchen über mehr oder weniger asphaltierte Straßen nachzogen. Leider entdeckten uns beim Güterschuppen drei dort heimische große Kangal-Hunde, die erfahrenen Türkeireisenden hatten da schon leidvolle Begegnungen hinter sich und meinten, es wirkte am besten, wenn man so tat als würde man Steine schleudern. Dank Zaun waren wir ein bisschen abgeschirmt, zunächst folgten noch zwei Tiere in einiger Distanz, dann blieben sie glücklicherweise stehen.

Ein Anti-Stuttgart 21 Aufkleber in den Weiten der Steppe... ;-)




An der nördlichen Einfahrt war dieser sich malerisch schlängelnde umgekippte Güterwagen einfach liegengelassen worden. Wir begaben uns nun zur neuen Straßenbrücke, von wo aus man alle Richtungen ziemlich gut abdecken konnte.




Es herrschte eine fantastische, malerische Nebelstimmung nach offensichtlich kürzlichen Regenfällen in der zu dieser Zeit normalerweise noch sehr trockenen Landschaft. Wir hatten Glück, es kam sofort ein Güterzug aus Richtung Sivas mit gewaltiger Rauchwolke herangedieselt, im Hintergrund der Abdampf einer Fabrik.




Irgendwie erinnerte mich die Szenerie mit ihren Geländeformen und Stimmungen stark an die schottischen Highlands.




DE24291 (französischer MTE-Lizenzbau von Tülomsas mit Pielstick Motoren, 1970 - 84 wurden 418 Exemplare hergestellt und sorgten für die Verdieselung der TCDD) und DE33009 (seit 2003 bei Tülomsas gebaute Version der GM EMD G26CW-2 mit 3300 PS) hatten einen Ganzzug aus geschlossenen Wagen am Haken.




Mitten in der Weite trafen sie sich punktgenau mit einem auf der neueren Güterumgehungsstrecke von Sivas ausfahrenden Zug, vielleicht empörte den Fahrdienstleiter das Telefonat deshalb so sehr.




DE33065 beschleunigte ihren vollen Erzzug lautstark aus dem Bahnhof heraus. Am Güterschuppen im Hintergrund wurde übrigens immer noch Stückgutverkehr durchgeführt, später sahen wir, wie Waren aus Lastwagen in gedeckte Wagen umgeladen wurden.




Der Blick auf die Umfahrungsstrecke gefiel uns auch sehr, durch die hier herrschende starke Steigung hörten wir den abfahrenden Zug noch mindestens eine Viertelstunde lang.









Die Stimmung änderte sich im Minutentakt.




Gegen neun kehrten wir zum Bahnhof zurück, natürlich kam just zu dem Zeitpunkt der erste Güterzug die Umfahrungsstrecke hinunter - aber was soll man machen, er hätte in der nächsten Minute oder den ganzen Tag nicht kommen können. Dafür konnte ich das Ritual des Einladens der standardisierten TCDD-Lokführer-Proviantsackerln einfangen. Dg53752 kam darauf, dass er seinen "Infobeutel" an der Fotostelle vergessen hatte und lief noch einmal zurück, kam aber dann doch wieder, aus Angst, den Regionalzug zu verpassen - unbegründet, wie sich herausstellen sollte.




Die Strecke südlich von Bostankaya schien annähernd zu 100% belegt zu sein, vor unserem Karma Yolcu traf noch ein Containerzug mit DE33000 nach Norden ein, versteckte sich vor uns jedoch auf den hinteren Gleisen. Der Bahnhof schien übrigens einst als Eisenbahnerkolonie ausgelegt worden zu sein, die Wohnblöcke daneben standen jedoch komplett verwaist in der einsamen Landschaft. Dg53752 schaffte es problemlos, auf den Balkon der obersten Wohnung zu gelangen. Unser Karma war zwar schon angekündigt, letztendlich trudelte DE24354 aber statt um 9:30 erst um 10:22 ein. Karten bekamen wir im ziemlich verwahrlosten Warteraum nicht, der Schalter blieb geschlossen, der Schaffner sollte uns versorgen.









Während der Ausfahrt sahen wir Dg53752s Infotasche am Fenster vorbeiziehen. Wir nahmen im ersten Großraumwaggon von drei Personenwagen Platz. Der Schaffner verkaufte uns gleich eine Fahrkarte für drei, erkannte aber sofort das Dilemma der Eisenbahnenthusiasten und stellte daraufhin weitere Tickets als Souvenirs aus.




Ich ging in den Abteilwagen dahinter, fotografierte aus einem Gangfenster und hatte das Glück, dass gerade die DE33000 ihren Containerzug zum Verschub auf die Umfahrungsstrecke rausgezogen hatte. Dadurch kam ich zu einem weiteren Highlands-Landschaftsbild, komplett mit Dorf und Moschee.




Gerade noch im Sonnenlicht erreichten wir das nette Tal kurz vor Sivas.




Wir hatten einen beachtlichen Güteranteil am Zug, der Fotograf/Filmer war übrigens ein Einheimischer, kein angereister Bahnfan. Ich sah unterwegs oft Türken fotografieren, auch an Bahnhöfen.




Mit Riesenglück bemerkte ich rechtzeitig, dass wir in Taslidere vor schöner Bergkulisse einen weiteren Güterzug kreuzten.




Blind an Karabük vorbeifotografierend gelang ein Bild von DE24359 im letzten Spotlight des Tages mit netten alten Bahnhofslampen als Beiwerk.




In Sivas angekommen mit 1 Stunde Verspätung - wie man sieht, es IST ein Karma!




Der Stadtbahnhof Sivas wurde fabelhaft "barrierefrei" gemacht... ;-)




Auf dem Bahnsteig trafen wir einen Teil der Reisegruppe und erfuhren endlich, was Sache war. Wie sich manche bereits gedacht haben, es handelt sich hier um die von Dietmer Kramer organisierte Tour in die Osttürkei, Fahrzeug unserer Wahl wäre die "Wanne" 56548 gewesen, die einzige aktuell betriebsfähige Dampflok der Türkei. Das Problem dabei: die Maschine ist in Usak in der Westtürkei beheimatet, dies bedeutet, dass für Fahrten in unserer aktuellen Gegend eine Überführung von etwa 1500 km notwendig wäre. Die Story lautet nun so, dass sich die Maschine inklusive einer Diesellok, die als Unterstützung auf der Tour dienen sollte, im Verband eines regulären Güterzuges auf den Weg gemacht hatte. Noch relativ nah an Usak war in der Nacht ein Verschubmanöver durchgeführt worden, allerdings ohne die Bremsen der Diesellok zu lösen - was unweigerlich einen Kupplungsriss genau zwischen Dampflok und Tender zur Folge hatte. Natürlich formten sich bezüglich dieser Geschichte im Laufe der Woche durch diverse misstrauische und/oder abergläubische Eisenbahnfans eine Vielfalt an Gerüchten und Verschwörungstheorien. Noch wussten wir aber nicht, wie es weitergehen sollte. Das bedeutete: Warten in Sivas zumindest bis zum späten Nachmittag, zu dem Zeitpunkt sollte der offizielle Treffpunkt der Gruppe stattfinden.

Nur wenig ist wichtiger als Wasser für den Cay...




Am großzügigen Hausbahnsteig von Sivas - die Displays waren leider weniger informativ, als sie ausschauen. In Kayseri fand man nur einzeilige Exemplare, aber jedes zeigte das Gleiche an: sämtliche Planzeiten aller Züge, die jemals hier halten, ungeachtet Wochentag oder tatsächliche Verspätung. Nutzen: fast keiner.




Es war nun Mittag und wir setzten uns in einen Imbiss vor dem Bahnhof, der in einem alten Zweiachser untergebracht war. Es sollte sich auszahlen, denn es war eines der besten Essen der Reise, mit Adana-Kebap, frischem Fladenbrot und einem guten, großen Salat aus Paradeisern, Zwiebeln und Petersilie.

Vor dem gepflegten Bahnhof Sivas stand mit 3302 ein Henschel C-Kuppler von 1918 als Denkmal, Tenderloks waren eher rar in der Türkei.




Rekonvaleszent und von Strapazen der letzten Tage müde legte ich mich nun in den leeren Wartesaal der Station. Es lief lediglich ein Flachbildfernseher an der Wand recht laut, doch bald entdeckte das ein freundlicher Stationsmitarbeiter und fragte mich, ob er es ausschalten sollte. Von nun an wurde ich nur durch die gelegentlich am Hausbahnsteig wartenden Dieselloks geweckt, deren gewaltige Motoren im Leerlauf das ganze Gebäude erzittern ließen. Ein interessanter Sonderzug mit DE33072 kam aus westlicher Richtung an, die Insassen stiegen aus, an der Seite des ersten Waggons war ein Plakat angebracht: "Atatürk Technisches und Industrie-Berufsgymnasium - Abteilung Schienensysteme". Später setzte sich ein weiterer Herr in den Wartesaal, der sich danach auch als Gruppenteilnehmer herausstellte.

Langsam sammelten sich die Passagiere für den Karma zurück nach Divrigi.




Es stand die Entscheidung an, ca. 15 Gruppenteilnehmer hatten sich versammelt. Nun, es bestand keine Hoffnung, die Lok vor Mitte der Woche in die Gegend zu bekommen, die Reparatur musste in Usak durchgeführt werden, also war das ab sofort auch unser Ziel. Wir hätten also alle unsere Infotaschen schon längst aus dem Zugfenster werfen können! Daher darf ich nun den kompletten Titel dieses Reportageteils verkünden:
Orient-Express 6: Trans Anatolien E... Otobüs!

Man hätte zwar auch über Nacht mit dem Dogu bis Ankara fahren können, doch nun waren die Bustickets ab 18:00 von Sivas zurück nach Kayseri schon gebucht, dort würden wir auch noch einen weiteren Teilnehmer treffen. Wir setzten uns in ein Taxi älteren Modells und ließen uns die zwei Kilometer zum Busbahnhof kutschieren. Der große, neue Terminal ist hier noch im Bau, der alte Busbahnhof strahlte jedoch echtes Basarflair aus. Wir nutzten gratis WLAN, um an erste Informationen zu kommen, was man nun mit unseren Flugtickets zurück so machen könnte. Die Busfahrt nach Kayseri sollte etwa drei Stunden in Anspruch nehmen, die meiste Zeit in der Finsternis.
Wieder einmal am bekannten Busbahnhof angekommen buchten wir gleich Fahrkarten bis Ankara um 8 Uhr Früh am nächsten Tag, bei der mir schon bekannten Gesellschaft Süha, welche uns auch einen alten Bus als Gratis-Shuttle in die Stadt anbot. Jedoch mussten wir im Dunkeln noch auf Passagiere anderer Busse warten, dann ging es los. Im Stadtzentrum wurden wir ein Stück weit vom schon reservierten Hotel abgesetzt. Nach kurzem Marsch mit Gepäck zum Hotel Capari, das vor kurzem in etwas anderes umbenannt worden war, bezog ich ein Einzelzimmer, da mein Zimmerpartner erst später dazustoßen würde.



22. 9. 2013

Am nächsten Morgen standen viele früh auf, da man schon um sieben bei der Busshuttlehaltestelle sein musste, doch ich tat mir das nicht an und nahm mir mit einem anderen ein Taxi. Lustigerweise war es der selbe Taxifahrer, der mich schon eineinhalb Tage davor in die Stadt geführt hatte. Nur wenige Minuten nach 7 stieg ich mit den neuesten Verschwörungstheorien aus der Gruppe ausgestattet am schon zu bekannten Terminal aus, den ich nie im Leben die ersten drei Tage der Reise mindestens einmal täglich sehen hätte wollen...

Doch einen Vorteil gab es natürlich - etwas Zeit, bis die restliche Gruppe eintraf, und einen Bahnschranken gleich daneben. Kaum angekommen wurde der Schranken geschlossen, und DE22075 zog den Erciyes Ekspresi Kayseri (7:00) - Adana (12:34), welcher en route die Taurusrampe zu überwinden hatte, vorbei. Seine planmäßige Rückfahrt war Adana (16:45) - Kayseri (22:33).




Nun hoffte ich auf einen Zug in Gegenrichtung, oder zumindest einen Lokzug, dessen Front man in die andere Richtung ablichten konnte - und auch diese Hoffnung wurde eine Viertelstunde später erfüllt!




DE22016 noch einmal in echter Highland-Stimmung.




Danach ging ich zurück zum Busbahnhof, den man auch locker über den Bussteigbereich ohne die Sicherheitsschranken zu durchqueren betreten konnte. Das Gepäck wurde eingeladen und mit Etiketten versehen. Danach starteten wir unsere 345 km / 5 Stunden Fahrt bis Ankara, ich saß ganz hinten im Bus. Neben den schon früher erwähnten Snacks wurde im Bus sogar W-LAN geboten, dessen Internetverbindung je nach Einsamkeit der Gegend - und die war recht oft einsam - schlechter oder weniger schlecht funktionierte. Am schon bekannten Gleisdreieck von Bogazköprü begegneten wir einem langen Güterzug, dann trennte sich bald der Straßenverlauf von der Hauptstrecke nach Ankara. Auf etwa halbem Wege wurde eine halbstündige Rast eingelegt, die Raststationen waren offensichtlich auf den Anstrom der Buspassagiere mit umfassenden Toilettenanlagen eingestellt. Erst bei Kirikkale nahe Ankara erreichten wir die Bahn wieder, hier - vor allem um Elmadag - findet man eine ziemlich spektakuläre und auch gut befahrene Sektion der Bahn. Neben Güter- und Expresszügen werden zwei Nahverkehrszugpaare Ankara - Kirikkale offeriert, die Strecke wäre also einmal als Einleitung oder Ausklang einer Reise eine Überlegung wert. Doch wir wollten woanders hin und erreichten den auf drei Bussteigebenen verteilten, surrealen Busbahnhof von Ankara über eine Schleife in den Norden der Ringautobahn an Mediamarkt und Bauhaus vorbei.
Im Stadtgebiet überquerten wir die U-Bahnlinie M1 und eine Abstellanlage des Hauptbahnhofs. Zunächst versammelte sich die Gruppe in einem Teil der Ankunftsebene des Otogar, es wurden Tickets für die Weiterfahrt beschafft. Da Sonntag absoluter Reisetag in der Türkei ist - auf der Abfahrtsebene herrschte schwerer Trubel - bekamen wir 16 Leute erst Tickets für eine Abfahrt nach Usak um 16 Uhr. Die meisten setzten sich in ein Lokal gleich daneben, doch Dg53752, Karabük, ein weiterer Tourteilnehmer und ich entschieden uns, mit der U-Bahnlinie M2 zwecks Erkundung zum Hauptbahnhof zu fahren. Mein Gepäck ließ ich bei der Gruppe, die anderen nahmen die hier wie auch am Hauptbahnhof vorhandene Gepäckaufbewahrung in Anspruch. Der Ticketkauf war etwas verwirrend, da nicht so klar war, wie viele Fahrten auf einer Karte zu buchen waren. Doch wir nahmen letztendlich je eine 2-Fahrten-Karte vom aus einem Mann hinter einem Tisch, auf dem alle Kartentypen aufgelegt waren, bestehenden "Automaten". Für weitere Verwirrung sorgte die Bahnsteigwahl, irgendwie konnten wir die andere Richtung nicht finden, bis wir draufkamen, dass der Busbahnhof "ASTI" die Endstation der M2 darstellte. Am Bahnsteig wurden wir von einem freundlichen, deutschsprachigen Einheimischen beraten, der uns jedoch auch sagte, dass man in der U-Bahn nicht fotografieren sollte. Bei einem Zug taten wir es später dennoch. Es fuhr eine Garnitur ein, ziemliche Massen strömten heraus, wir stiegen ein, und schon ging die Fahrt in die Gegenrichtung wieder los. Dieser Wendevorgang geschah so schnell, dass wir uns nicht klar waren, ob der Zug automatisch gesteuert war, oder je ein Triebfahrzeugführer an den Enden saß. Auf jeden Fall entdeckte ich auf einem Foto durch das dunkle Glas eine menschliche Gestalt im Führerstand. Wir stiegen nach vier Stationen in Maltepe wieder aus, hier waren wir auf die Mission geschickt worden, eine Basarunterführung zum Hauptbahnhof zu finden. Dies gelang uns jedoch erst auf dem Rückweg vollends, vorerst stießen wir von einem Seitenabgang dazu, an einem Eisenbahn-Rettungswagen vorbei - mit Dampflokpiktogramm an der Seite.

Zunächst passierte man die Vorortzugbahnsteige, dann gingen wir als erstes auf Bahnsteig 2, wo ebenfalls ein westwärts verkehrender Nahverkehrstriebwagen der Baureihe E23000 (Hyundai-Rotem / 2010) mit Ziel Polatli wartete.




Gleich daneben, auf Bahnsteig 1, stand ein YHT Hochgeschwindigkeitszug der Baureihe HT65000 bereit zum Boarden.




Wir widmeten uns nun auch dem prunkvollen Hausbahnsteig, der Zug war mit Barrieren abgesperrt, Zugang haben Passagiere nur durch eine Sicherheitsschleuse. Im Hintergrund sieht man den Testzug abgestellt, welcher nach dem mittelalterlichen Seefahrer "Piri Reis" getauft worden war.




Auf Bahnsteig 1 fand sich ebenfalls eine Bilderausstellung, teils mit Gemälden vom Dampflokbetrieb. Offensichtlich waren einige bekannte Dampffotos abgemalt worden. Beim Fotografieren am Bahnsteig begegneten wir auch mit DSLR bewaffneten Türken, die anschließend zurückschossen... ;-)




An TCDD-Großbahnhöfen gefällt mir sehr gut die geschmackvolle Einbindung moderner Neuerungen bei gleichzeitiger Pflege alter Art Deco Stilelemente. Davon könnten die mitteleuropäischen Zubetonierer viel lernen.









Atatürk sieht aus seinem als Teil des Museums aufgestellten Linke Hoffmann Salonwagen nun schon seit ein paar Jahren dem Hochgeschwindigkeitsverkehr zu.



Wohl schon nicht mehr ganz aktuell, aber auf dieser Karte lässt sich das Ausmaß der geplanten Hochgeschwindigkeitsstrecken erkennen, praktisch das ganze Land soll neu erschlossen werden. Und es wird hier nicht lange gefackelt, die Bauwut nimmt schon beinahe chinesische Dimensionen an.
http://raildata.info/orient/yhtmap1.jpg


In der Unterführung entdeckten wir später dieses Plakat zu internationalen Plänen - manche wohl heutzutage eher fiktiv, wie die Route über Aleppo nach Mekka. Die Hochgeschwindigkeitsstrecke nach Kars mit Anschluss Richtung Georgien und Baku ist aber sicher in nicht allzu ferner Zukunft Realität.
http://raildata.info/orient/yhtmap2.jpg


Wenn wir schon bei Scans sind, hier meine Zugtickets der Reise: Dogu Ekspresi Kayseri - Divrigi, U-Bahnticket Ankara (EGO sind die Verkehrsbetriebe von Ankara), Regionalzugticket Bostankaya - Sivas.
http://raildata.info/orient/trticket1.jpg


Der Umschlag der Fernreisekarte, der erste Slogan lautet in etwa: "Der Zug lässt sich vom Schnee nicht stoppen, Schienenverkehr zu allen vier Jahreszeiten!"
http://raildata.info/orient/trticket2.jpg


Und, wen es wirklich interessiert: die Busfahrkarten Sivas - Usak.
http://raildata.info/orient/trticket3.jpg


Danach kehrten wir durch die Basarpassage, die sichtlich auch irgendwann in den 1930er Jahren entschanden war, zur Metro zurück. Der Aufgang war wirklich nicht leicht zu finden, man muss auf jeden Fall von der U-Bahn kurz dem Gazi Mustafa Kemal Boulevard nach Nordwesten folgen. In einer ziemlich vollen Garnitur eingeklemmt fuhren wir zurück zum ASTI, wo wir im Vergleich zum Vortag ein eher grauenvolles Mittagessen einnahmen, noch dazu wurden wir bei der sehr hektischen Aufteilung der Abrechnung leicht betrogen. Anschließend setzten wir uns in den im Vergleich eher etwas verschlissen wirkenden Bus einer Firma aus Alasehir Richtung Izmir, der uns wieder in etwa 5 Stunden die 350 km bis Usak bringen sollte.

Richtung Westen war die Stadt recht abrupt zu Ende und fing irgendwie doch wieder an, das Thema konnte ich mit meinem britischen (oder doch nicht mehr so ganz) Sitznachbarn ausdiskutieren. Anschließend fuhren wir parallel zur Hochgeschwindigkeitsstrecke, auch der Altbau war immer wieder zu sehen. Hier die YHT-Station Polatli, mitten in der Einsamkeit.




Anschließend kamen wir am Duatepe Tüneli vorbei, über das eine der im Land verstreuten Atatürk-Monumentalstatuen gepflanzt worden war (siehe Bild auf YHT-Karten Scan Nummer 1). Kurz darauf begegneten wir tatsächlich einem Zug, dem YHT Konya (16:00) - Ankara (17:45).




Wir fuhren friedlich dahin, plötzlich begannen die Leute auf den hinteren Reihen zu schreien - und tatsächlich, es war Brandgeruch in der Luft zu spüren! Der Fahrer legte eine Bremsung am Pannenstreifen hin, und wir Passagiere drängten mehr oder weniger schnell nach draußen. Allerdings war es doch nicht so, dass schon Flammen in den Passagierraum züngelten. Super, dachte man sich, nachdem die Moral der Truppe ohnehin schon ziemlich am Boden war, würden wir nun auch Stunden in den Weiten Anatoliens verrecken. Glücklicherweise stellte sich das Ganze nach kurzer Begutachtung des Motorraums als nicht so schlimm heraus. Was man roch war nur verschmorter Gummi des Keilriemens, der ersetzt werden musste. Das fixe Personal brachte die Reparatur in einer Viertelstunde hin.

Wir kamen genau hinter dem Hochgeschwindigkeits-Gleisdreieck Eskisehir - Konya - Ankara bei Igciler zu stehen, die alte Strecke führte darunter durch. Im Hintergrund ist der Schenkel Eskisehir - Konya zu sehen. Von hier soll auch bald die YHT-Strecke Richtung Afyon abzweigen.




Die Altbaustrecke in den Weiten der anatolischen Steppe.




Wir setzten unsere Fahrt recht pünktlich fort, man kam auch hier an einigen schönen Steinformationen vorbei. Vor Afyon musste bei Sonnenuntergang ein recht heftiger Pass überwunden werden, der auffallend dicht aufgeforstet worden war.




In Afyon fuhren wir am neuen Busbahnhof auf der Umfahrungsstraße vorbei. Nun kamen wir in die Sektion, wo sich die Straßen Ankara - Izmir und Istanbul - Antalya für kurze Zeit überschneiden - es sah hier aus wie in Amerika! Riesige Werbetafeln, McDonald's, Burger King, Starbucks und mehr alle nebeneinander aufgereiht - dazu riesige 5-Stern-Thermenhotelkomplexe, manche in Betrieb, einige weitere noch in Bau. Nach einem Pass folgte die Abzweigung nach Antalya, wir bogen kurz ab, um bei einer Raststätte endlich um 8 Uhr Abends die erste echte Pause der Fahrt einzulegen. Zudem sollte ich mir den Ort merken, denn am Ende der Reise würden wir noch einmal fast genau hierher zurückkehren, jedoch mit einem anderen Verkehrsmittel...
Nun war es nicht mehr weit, bei Dumlupinar passierten wir etwa die Hälfte des Wege zwischen Afyon und Usak und gegen 9 Uhr war endlich das Ziel erreicht - seit Sivas in netto ca. 12 Stunden Busfahrt waren über 900 Kilometer zurückgelegt worden. Und das auf einer Reise, bei der ich eigentlich die vergleichsweise kurze Busfahrt rund um Istanbul vermeiden wollte...
In Usak wurden wir im Zentrum nahe eines Taxistandes abgesetzt, doch der Besitzer rief natürlich keinen zweiten Wagen, sondern plante uns 16 in mehreren Fuhren zum Hotel zu kutschieren. Gleich daneben gab es eine Pizzeria mit Lieferservice eines aus Europa zurückgekehrten Türken, er klagte über eher schleichende Geschäfte, denn die Vorstellungen, woraus eine Pizza bestehen muss, divergieren offensichtlich je nach Kontinent. Manchen inklusive mir reichte bald die Warterei, wir gingen die etwa 800 m bis zu unserem Hotel Sahlan-1 (es gab noch ein weiteres). Den zweiten Teil konnten wir auf der im letzten Jahr neu eingerichteten Fußgängerzone zurücklegen. Hier war auch einfach alles zu haben, besonders auffallend die Batterien an Bankomaten, manchmal gleich 4-5 nebeneinander.
Im Hotel wurden wir von Dietmar und dem Rest der mit unter 25 Leuten doch recht überschaubaren Gruppe begrüßt und mit dem Ersatzprogramm der nächsten Tage bekanntgemacht. Nun ja, mal sehen, was uns so erwarten sollte... Inschallah!
Ich stellte mich in (noch) meinem Zimmer auf eine kurze Nacht ein, denn mein Münchner Original von einem Zimmerkameraden war um 21:00 in Izmir gelandet und kam im Nachtbus Izmir ab 23:00 nach Usak. Ich schrieb ihm, dass er mich kurz anrufen sollte, wenn er da war, und so geschah es auch.



23. 9. 2013

Um etwa 2:30 war die Gruppe endlich komplett. ;-)
Frühstück gab es schon um 5:30, doch da ich kein Früh-Frühstücksmensch bin, begnügte ich mich mit dem Einpacken von Sesamkringeln für später am Tag, obwohl immer ein nettes Büffet hergerichtet war. Vor Ort trank ich nur den Morgen-Cay, hier wurde eine konzentrierte Kanne offeriert, sowie eine weitere mit heißem Wasser. Der ideale Mischungsgrad bestand aus ca. 1/3 Tee - 2/3 Wasser.
Um 6 Uhr marschierten wir hinunter zum Bahnhof, der selbe Weg wie am letzten Abend, nur über die Hauptstraße hinüber noch etwas weiter. Vor dem Erreichen des Bahnhofs führte ein kleiner Pfad nach links hinein zum Lokschuppen.


Was soll man sagen? Es geht los! Es geht los! Die gute alte Floridsdorferin 56548 (ex 52 7429 / Flor #16882 / gebaut 1943) erwartete uns!




Blick am Lokschuppen von Usak entlang, die Ausfahrt Richtung Dumlupinar und Afyon.














An dieser Strecke werden vor allem DE24000 eingesetzt.




DE24249 sollte unser stete Begleiterin als Schub-, Zug- und Vorspannlok an sechs Fotozugtagen bleiben.




Gegen sieben Uhr setzte sich unser Zug in Bewegung, es sollte eine der pünktlichsten morgendlichen Abfahrten der Reise bleiben. Für den heutigen Tag war die steigungsreiche Strecke hinauf bis Dumlupinar mit Rückkehr nach Usak am Abend geplant, einige vom TCDD-Personal fuhren bei uns in zwei frisch renovierten Zweiachsern mit. Eigentlich standen diese Wagen schon im letzten Jahr zur Verfügung, doch da hatten sie einen hellgrünen Farbton verpasst bekommen. Für heuer haben die Mitarbeiter, allen voran Ali, jedoch einen Spitzenjob geleistet. So konnten wir zunächst mit 2 dunkelgrünen Personenwagen und acht authentisch braunen Güterwagen unterwegs sein.




Und zur Einstimmung: der erste Fotohalt der Reise in einer Schleife kurz vor Kapaklar, hinter der Zuckerfabrik von Usak. Es war der windigste Morgen der Woche, ebenso war es noch sehr frisch, bei Nachttemperaturen von 6 Grad, über 20 Grad unter Tags. Doch dieser Wind machte auch Garaus aus den für diese Region untypischen Wolken und sorgte für stabil schönes Wetter die nächsten Tage.


Mehr davon nächstes Mal! :-)

messermoser

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Re: Orient-Express 6: Trans Anatolien E... (50 B. + 5 Scans)
« Antwort #1 am: 11. Oktober 2013, 03:23:19 »
Danke Roni. Top Bilder wie immer.
Schoenen Gruss aus Bali
Peterle


DarkFox

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Re: Orient-Express 6: Trans Anatolien E... (50 B. + 5 Scans)
« Antwort #2 am: 13. Oktober 2013, 20:26:02 »
Hallo Roni,

deine Texte scheinen manchmal länger zu wirken, aber ich finde sie akzeptabel.

Sowie deine Bilder auch schön sind. :)

Mit freundlichen Grüßen
DarkFox

Roni

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Re: Orient-Express 6: Trans Anatolien E... (50 B. + 5 Scans)
« Antwort #3 am: 16. Oktober 2013, 13:29:01 »
Hallo!

Danke euch!  :)

@ DarkFox:
Wieso viel Text, liest du hauptsächlich Comics? ;)
Musst dir einmal andere Reiseberichte anschauen, im Vergleich schreibe ich sehr wenig...