Autor Thema: Rumänien 2015 - 11: Per Daciam Cibinium (50 B.)  (Gelesen 5703 mal)

Roni

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Rumänien 2015 - 11: Per Daciam Cibinium (50 B.)
« am: 02. Juli 2015, 09:49:09 »
Hallo!



Zum vorherigen Teil der Serie:
Winter in Rumänien 2015 - 10: Multimedia-Diashow + Abschied von Viseu (50 B.)
http://www.mstsforum.info/index.php?topic=3716.0


Zum Video:
https://youtu.be/f2aVp_q6rT4



Der Fahrplan zu diesem Teil:

Di, 31. 3. 2015

Wien Meidling ab 20:03  EN/IR 347 "Dacia" -> Bucuresti Nord Gara A

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Mi, 1. 4. 2015

Sibiu an 10:59 -7

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Do, 2. 4. 2015

Sibiu ab 6:35 +10  IR 1720 -> Craiova

Talmaciu an 6:53 +10


Nun, wohin geht unsere nächste Reise? Die Gegend um Sibiu / Hermannstadt hatte es mir dermaßen angetan, dass ich sie dieses Jahr zu Ostern noch einmal erkunden wollte. Diesmal allerdings in Begleitung, nicht als reine Eisenbahnreise würden wir uns auch den historischen Sehenswürdigkeiten Siebenbürgens widmen. Ein weiterer Anreiz ist die aktuelle Umleitung der Nachtzüge nach Bukarest über die Dieselstrecke durch Sibiu, darunter auch mein Lieblingszug, EN/IR 346/347 "Dacia". Eben diesen bestiegen wir im Double-Schlafwagen am 31. 3. 2015 in Wien Meidling, es war der Abend als aus Westen die Sturmfront nahte. Der Streckenmonitor der ÖBB blinkte westlich Wiens wie ein Weihnachtsbaum, nach Bayern waren überhaupt keine Fahrten mehr möglich. Doch glücklicherweise hatten wir trotz des ständigen Heulens und Pfeifens im Ohr ostwärts freie Bahn.


1. 4. 2015

Die Passkontrolle ging schnell vonstatten, in Vintu de Jos wurde auf 65er gewechselt. Eigentlich wollte ich dazu während des längeren Aufenthaltes aussteigen, doch wir standen am Bahnhof mitten in der Baustelle ohne Bahnsteig da, somit verging mir die Lust dazu. Kurz vor 11 wurde nach gemütlicher Fahrt überpünktlich Sibiu erreicht, wo zwar stets starker, kalter Wind herrschte, dieser verschaffte uns aber über die nächsten Tage anders als im Großteil Europas auch recht sonnige Aussichten.
Nach kurzem Pläuschchen der Personale verließ 65-1392 alsbald Sibiu Richtung Brasov und Bukarest. An diesem Tag bestand der IR 347 noch aus fünf Wagen, mit von der Partie der Speisewagen, ein Liegewagen, ein Schlafwagen und zwei Tagesschnellzugwagen. Die Szenen dazu sind im Video (Link siehe oben) ab Minute 42:30 zu sehen.




Wir bezogen ein schönes Privatzimmer in der Casa Astronomului ("Haus des Astronomen") und wurden gleich von der netten Vermieterin in Empfang genommen. Aus den Dachfenstern unseres Zimmers sah man direkt auf die Lügenbrücke mitten in der historischen Altstadt.




Die Dächer des Zentrums von Sibiu in die andere Richtung, vom Badezimmer aus.




Das Gebäude aus dem 15. Jhdt war frisch renoviert worden, im steilen Stiegenhaus fanden sich erhaltene Freskenreste. Das Konzept war Apartment-ähnlich, Frühstück gab es nicht. Ein allgemeiner Küchenbereich unten an der Treppe wurde erst fertiggestellt.




Den Innenhof erreichte man auf einem Holzbalkon mit Zugang zu einer weiteren Wohnung, im Hintergrund ein Zipferl der Siechenhauskirche.




Weitere steile Holztreppen führten hinunter in den Hof, der Eingang zum Haus in der Strada Azilului war nicht beschriftet und nicht ganz einfach zu finden.




Bald begaben wir uns auf Stadtrundgang.




Der 1224 bis 1241 gebaute Ratsturm wurde als Erstes bestiegen. Von hier hat man einen wunderbaren Rundblick über die Stadt, wenn auch nur durch Fensterscheiben. Richtung Südwesten zu sehen ist der Hauptplatz der Stadt - der Große Ring / Piata Mare (Sprich "Piaza") - mit der katholischen Kirche. Wie man sieht liegt Sibiu exponiert auf einer Hochebene - hier herrschte stets der stärkste Wind.




Nach Südosten - ahhh, unser Liebling, das Fagaras-Gebirge!
Im Restaurant Weidner unten links würden wir wir am letzten Tag der Reise essen.




Richtung Nordosten sah man entlang der Strada Avram Iancu, deren Fortsetzung direkt bis zum Bahnhof hinten rechts führt.




Im Nordwesten des Ratturms befindet sich der Kleine Ring / Piata Mica, dahinter die ab der Mitte des 14. Jhdts errichtete evangelische Stadtpfarrkirche mit dem auch heutzutage noch höchsten Gebäude der Stadt, dem 73 m hohen Turm. Die Siebenbürger Sachsen, deren politisches und religiöses Zentrum Hermannstadt war, nahmen Mitte des 16. Jhdts den evangelischen Glauben an. Die kleinen Türmchen am Turmdach weisen übrigens auf den Status der Stadt hin.




Willkommen in Sibiu, lateinisch: Cibinium, am Fluss Cibin.




Blick aus dem Eingang des spätbarocken Brukenthal-Palais auf das Rathaus am Großen Ring.




In der evangelischen Kathedrale musste man ein wenig Eintritt zahlen. Es sind auch Grabplatten diverser Bürger zu besichtigen, allesamt natürlich extrem süß dargestellt.




Wir aßen im mir schon bekannten Café Wien gegenüber der Kirche, dann machte ich mich auf zum Eisenbahn-Besichtigungsteil des Tages.




Überblick über den Bahnhof Sibiu mit den bereits bekannten abgestellten blauen Waggons. Links sind noch Schmalspurgleise zu entdecken - die aufgelassene Strecke Sibiu - Agnita, die heutzutage zum Teil von Freiwilligen wieder für einen geplanten Museumsverkehr aufgebaut wird: http://www.sibiuagnitarailway.com




65-1363 und 65-1280 waren gerade am Rangieren, als ich die Autobrücke beim Bahnhof überquerte.









All diese Maschinen sollten im Laufe der Tage noch zu altbekannten Pappenheimern werden.




Tele von der Brücke Richtung Bahnhof.




Blick vom Eingang ins Depot, 76-1413 - ein modernisierter ex-DB 614er - und ein Desiro warteten auf ihren Einsatz vor dem noch bis tief hinab verschneiten Fagaras-Gebirge.









Parade aus zwei modernisierten und dem alten, schäbigen Kutter 60-1308.




Eingesperrt hinter Depot-Mauern.




Langstrecken-IR 1622 Timisoara - Bukarest hatte in Sibiu zwei zusätzliche Wagen verpasst bekommen, dann beschleunigte 65-1280 aus der Station.
Es stürmte ordentlich, was sich auch in einem interessanten Himmel manifestierte. Mein Videostativ stellte ich so klein wie möglich direkt auf den Boden. Die Szene inklusive GM-Brummen ist im Video bei Minute 43:50 zu sehen.









Eingang in das Depot / Dampflok"museum" Sibiu. Allerdings hängt draußen auch ein Schild, das Unbefugten den Zutritt untersagt - also etwas schizophren, das Ganze. Verstärkt wurde es noch durch einen Eisenbahner alten Schlags, der meinte man dürfte zwar das Schwarze drinnen fotografieren, aber draußen nicht. Als erfahrener Reisender in diversen Ländern können mir solche Typen generell den Buckel runterrutschen, aber dass man im Depot fotografieren darf und draußen nicht, das war auch mir neu... ;-)
Es blieb jedoch bis jetzt meine einzige derartige Begegnung in Rumänien, sonst sind alle Eisenbahner sehr freundlich.

Neben dem Eingang ist CFR 40.004 abgestellt, eine von sieben 1908 in der Wiener Lokomotivfabrik, Floridsdorf, gebauten Normalspur-Zahnradlokomotiven für die Strecke Subcetate-Boutari.
Über die Exponate vor Ort habe ich eine informative Seite (auf Englisch) entdeckt: http://bda-train-blog.blogspot.co.uk/2009/09/steam-locomotive-museum-in-sibiu.html




Die Hecken um die Exponate sind wesentlich besser gepflegt als die eher verrosteten Dampfloks selbst, hier links zu sehen ist CFR 6845. Von Borsig in Wien 1908 für Russland gebaut, wurde sie im 1. Weltkrieg von österreichischen Truppen erbeutet und kam in Galizien zum Einsatz. In den Besitz der CFR gelangend wurde als Bezeichnung einfach die Nummer des Erbauers übernommen.









Am Eingang zur Drehscheibe steht 763.148, von Orenstein & Koppel 1923 produziert und bis 1972 auf der Waldbahn Curtea de Arges im Einsatz.




Rechts im Vordergrund 130.569 (nummeriert als 130.503), eine 1C-h2, 1921 von Skoda gebaut. Die Lok wurde erstmals 1972 zum 100-jährigen Jubiläum des Bukarester Nordbahnhofs ausgestellt und wanderte 1994 zum Museum Sibiu.




Ein Bild für die Wannenfreunde: CFR 150.1105 (ex DR 52 196, BMAG - Schwartzkopf 1943), eine ehemalige Nostalgielok für Sonderfahrten.
Die Jahreszahl am Gebäude ist übrigens 1960.




Blick am Dampfkran WMA 65.4 aus dem Jahr 1939 vorbei.









Kutterparade am gepflegten Rundschuppen von Sibiu mit (v.l.n.r.): 60-0838, 60-0749, 60-1328, 88-0001 und 60-0813.




An der Drehscheibe stehen noch die Dampfloks (v.l.n.r.): CFR 1493 (Henschel 1894), CFR 077 (Hanomag 1915) und die feuerlose CFR 20.064 (Henschel 1924).




Von den zweiachsigen Verschubloks des Typs 88 waren 1981-1984 81 Exemplare gefertigt worden, sie wurden jedoch inzwischen schon weitgehend von neueren Baureihen verdrängt.




Am anderen Ende der Drehscheibe steht die 760mm-C-Kuppler-Schlepptenderlok 388-002, gebaut 1896 in Wiener Neustadt für die Schmalspurbahn Sibiu - Agnita.




Ein letzter Sonnenblick wurde mir noch gegönnt...




... vor einem herannahenden Regenschauer. Das Warten an der Brücke auf IR 1621 fiel eben aus.




Wir nutzten den Guss um Reservierungen für die nächsten Tage zu besorgen, über meine Reservierung eine Station mit dem IR nach Talmaciu war die Schalterdame besonders erfreut. Aber was soll man tun, wenn man reservierungspflichtige Züge führt... Die Schlange hinter uns leitete sich selbst an den anderen Schalter um - nur ein Touristenpärchen wartete etwas länger, bevor es aufgab - , zudem funktionierten nun sogar anders als im Februar beide Ticketautomaten, dafür waren die LCD-Werbeschirme darüber ausgefallen.




Die zweitunpassendste Verwendung eines Shinkansen-Logos, nach der Bahnsteigbeschilderung in Cernivtsi.




Wetterkapriolen über Sibiu.




Die Lügenbrücke gleich bei unserem Quartier (das renovierte Haus hinten an der Ecke, unser Zimmer lag an den ersten zwei Dachfenstern), eine Gusseisenbrücke errichtet 1859. Angeblich soll sie einstürzen, sobald ein/e Lügner/in sie betritt - halte ich für ein Gerücht... ;-)



Nun kauften wir ein und ruhten uns aus, ich wollte eventuell noch zum Dacia am Abend schauen, aber das verschob ich auf einen anderen Tag, das Wetter war einfach zu unsicher und ich musste am nächsten Tag früh raus. Aufgrund der Zeitumstellung am Wochenende davor und der Osteuropäischen Zeitzone fühlte sich alles zwei Stunden früher an.



2. 4. 2015

Am Donnerstagmorgen traf ich nach sechs auf den CFR-üblich stockfinsteren Bahnsteigen des Hauptbahnhofs von Sibiu ein. Mein Desastro als IR 1720 Richtung Craiova wartete schon.




Der Himmel versprach nichts Schlechtes für einen vollen Bahnfototag.




Doch zunächst näherte sich ein Scheinwerferleuchten in der Ferne...




CFR 65-1204 fuhr mit IR 473 "Ister" Budapest - Bukarest sieben Minuten verspätet um 6:32 ein.




Anschließend nahm ich im Desiro gegenüber eines Sonnenblumenkern-kauenden orthodoxen Priesters Platz. In der nächsten Station, Talmaciu, musste ich schon raus.




In schöner Stimmung, aber natürlich bei kühlem Wind, wurde ich am Bahnhof zurückgelassen.



Nächstes Mal gibt es wieder eine volle Ladung Streckenaufnahmen im Dieseldreieck von Talmaciu und Podu Olt. :-)