Autor Thema: Urlaub in Bulgarien 2015 - 23: In die Rhodopen (50 B.)  (Gelesen 4783 mal)

Roni

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Urlaub in Bulgarien 2015 - 23: In die Rhodopen (50 B.)
« am: 23. Dezember 2015, 16:10:47 »
Hallo!



Zum vorherigen Teil der Serie:
Urlaub in Bulgarien 2015 - 22: Wandern zum Goldstrand (50 B.)
http://www.mstsforum.info/index.php?topic=3746.0


Zum Video:
https://youtu.be/4dl-qDnduFM



Der Fahrplan zu diesem Teil
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Fr, 7. 8. 2015

Warna ab 22:10  BV 2626


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Sa, 8. 8. 2015

Sofia an 6:00


Sofia ab 6:30  BV 8611 "Sonnenstrand" -> Burgas

Septemwri an 8:02 +5


Septemwri ab 9:47  PV 16103 -> Dobrinischte

Zepina an 10:21 +5


Zepina ab 13:08  PV 16105 -> Dobrinischte

Welingrad an 14:02


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So, 9. 8. 2015

Welingrad ab 11:13  PV 16103 -> Dobrinischte



8. 8. 2015

Wir verbrachten eine ruhige Nacht im modernen Schlafwagenabteil. Service wurde vom Schaffner zwar keines geboten, das ist bei einer Ankunft um 6:00 aber auch nicht wirklich nötig. Zudem kosten Schlafwagenreservierung und 1.-Klasse-Fahrkarte durch ganz Bulgarien online gebucht zusammen nur ca. 20 Euro pro Person.
Die Fahrkarte habe ich euch hier eingescannt, der "Kontrolltalon" wurde nachträglich draufgeklammert: http://raildata.info/rum15/varsofticket.jpg

Aufgrund der pünktlichen Ankunft erreichten wir den ersten Anschlusszug - den um 6:30 abfahrenden BV 8611 "Sonnenstrand", zufällig Richtung Burgas wieder ans Schwarze Meer. Doch wir planten ihn nur einen kürzeren Abschnitt lang zu verwenden.
Sofia, das uns mit zartem Morgenrosa begrüßte, würden wir ein anderes Mal erkunden. Nun zwängten wir uns nur durch den Morgentrubel an der Großbaustelle der komplett neu renovierten Station, diese Bahnsteige waren schon erneuert worden, die Gleise wohl eher nicht...




Blick zum E-Desiro-Depot.




Es standen zwei Garnituren am selben Gleis, also fragte ich zur Sicherheit noch einmal den Fahrdienstleiter.




Die Abfahrt bei Sonnenaufgang war schön, vom Waggonfenster sah man zwei BDZ-Kutter. Hier ist die Strecke modernisiert, und es geht meist rasant dahin. Wir begegneten dem Optima-Express Edirne - Villach, diese Szenen habe ich nur gefilmt (siehe Video hier: https://youtu.be/4dl-qDnduFM?t=30m16s ).
Etwas später kam der Schaffner, und es war das einzige Mal in Bulgarien, dass uns jemand über das Ohr zu hauen versuchte. Wir saßen mit dem Balkan Flexipass in der 1. Klasse, nach Begutachtung meinte der Schaffner, dass wir noch eine Reservierungsgebühr zu bezahlen hätten, und zeigte uns dabei die Karte einer Dame im Abteil. Womit er wohl nicht gerechnet hatte: ich zog meine ausgedruckten Fahrplantabellen aus dem Rucksack und zeigte ihm klar, welcher Zug eine Markierung zur Reservierungspflicht hatte (nur sehr wenige, bsp. BV 3601/3602), und welcher nicht. Er blieb noch kurz hartnäckig, ich aber auch, und nach kurzer Zeit gab er auf.

Nach eineinhalb Stunden Fahrt hatten wir unser Zwischenziel Septemwri erreicht - sonst eher ruhig... momentan wurde einem eher weniger Platz auf dem Bahnsteig gelassen.




Wir beschafften uns Frühstück an den Kiosken der Station, zudem wurde auch das WC aufgesucht, welches offensichtlich bombensicher und wie ein Bunker in den Boden eingelassen war. Über die Zustände drinnen hüllen wir lieber einen Mantel des Schweigens. Dann schaute ich hinüber zur idyllischeren Schmalspurbahnseite, wo unsere Garnitur mit Abfahrt in eineinhalb Stunden schon ohne Lok dastand.




Wir befinden uns an der Hauptstrecke Sofia - Plovdiv, auch eine BDZ-Cargo 43er war eingetrudelt, diese präsentierte sich in ähnlichem Zustand wie dieses Schild.




Eine Lösung der BDZ, um die Jugend wieder von den Computerspielen loszubekommen? Welches Level muss man schaffen, um - mit Rollkoffer - zur Schmalspurbahn zu gelangen? ;-)




Es hatten sich nun einige BDZ-Cargo 43er versammelt, deren Zustand sie eindeutig von ihren Personenverkehrs-Kolleginnen unterschied. Immer im Hintergrund liegt das Rila-Gebirge, mit bis zu 2925 m die höchsten Berge des Balkans. Links sieht man das Ausbesserungswerk Septemwri.




Auch Schmalspurwaggons in der zwischenzeitlichen blauen Farbgebung waren abgestellt - jedoch dürfte es nur noch diese wenigen Exemplare geben - dahinter die Nostalgiegarnitur.




Der Aufmarsch der BDZ-Cargo 43er.









Als ich zum Hausbahnsteig zurückkehrte, sagte mir der eher befehlshaberisch wirkende Fahrdienstleiter im Vorbeigehen, dass Fotografieren verboten sei - zum 2. und letzten Mal in Bulgarien. Nun - so lange er es mir mitteilt, nachdem ich schon alles abfotografiert habe, ist es ja OK. ;-)




Vor halb zehn war es Zeit für unseren Schmalspurzug PV 16103 auf der 125 km langen, 760 mm breiten Rhodopenbahn Septemwri - Dobrinischte. Nun näherte sich auch unsere Zuglok - und es war gleich eine Henschel! Baureihe 75, auch bekannt als "Mini-V160".




75 004 rangierte zu unserer Garnitur. Links ein Bauzug der Schmalspurbahn, inklusive "Container auf Rädern".









Die Runzeln der Fünfzigjährigen (Henschel Nr. 31136 / Bj. 1965).




Die Waggons waren modernisiert worden. Ich nutzte den Moment - sonst sah ich sie nie leer, die Züge waren stets gut benützt.




Alles bereit für die planmäßig bis zu fünf Stunden lange Fahrt, genug Zeit für nicht nur ein Kreuzworträtsel. Auch im Bild: eine Flasche Cappy Pulpy. Grapefruit ist seit den Besuchen in Rumänien zu meinem Favoriten unter den Softdrinks geworden. Links kann man ein weiteres Detail gespiegelt erkennen.




Hinter der Henschel-Lok durch die Tschepinska-Schlucht, welche nach einem kurzen "Rennstück" über die Ebene bis Warwara erreicht wird. Die Übergangstüre nach vorne war offen, davor noch die zusammengeklappten Geländer des Waggonübergangs. An einer offenen Wagentüre saß ein Bursch, sonst war der Zug normalerweise geschlossen.
Kaum angekommen, sprang ich am heutzutage verlassenen Haltepunkt Zepina heraus ...




... und hatte schon ein Topmotiv der Schlucht gleich inbegriffen!




Auf schmaler Spur durch die Schluchten des Balkan.




Danach setzten wir uns in den Schatten zum Lesen und warteten etwas mehr als eine Stunde auf den Gegenzug PV 16102, welcher um 7:15 Dobrinischte verlassen hatte und nun pünktlich um 11:37 nach 4 1/2 Stunden und über 100 km Fahrt in Zepina eintraf. Auch dieser erwies sich als Henschel-Leistung, gezogen von 75 005. Wie man sieht lagen hier einst mehr Gleise, nun ist man praktisch im Nichts, nur die gut ausgebaute Straße daneben als stete Begleiterin durch die Tschepinska-Schlucht. Das WC-Hüttl und wenige verfallene Häuser links hinter dem Fotografen sind ebenfalls noch erhalten. Die Festungsruine Zepina wäre in 3,5 Stunden Fußmarsch (schwer) zu erreichen.
https://de.wikipedia.org/wiki/Zepina

Als ich vom Foto zurückging, wurde ich von einer eine Schwelle verteidigenden Wespe an der Wade gestochen, trotz Antihistamin-Creme und -Tabletten breitete sich in Folge fast den Rest der Reise ein Handteller-großer roter Fleck darum aus...




1943 fand hier ein Partisanen-Angriff statt.




PV 16105 näherte sich 1 1/2 Stunden später, um uns abzuholen.




Gezogen wurde er zur Abwechslung von 77 009, einer der 1988 vom rumänischen Hersteller FAUR gelieferten Maschinen.




Angekommen in unserem Stützpunkt Welingrad - die Stadt ist der größte Thermalkurort der Balkanhalbinsel.




Glamouröses kann man sich jedoch nicht erwarten, es gibt eine kleine Fußgängerzone und eine Fülle an Thermalhotels - "Welingrad ist nicht Karlsbad", wie wir es formulierten. Unser "Spa Club Bor" ist hier ganz links oben am Hügel zu sehen. Tipp: auch wenn das Hotel nahe am Bahnhof liegt, nehmt mit Gepäck ein Taxi. Denn gerade das Stück Straße den Hügel hinauf war noch gepflastert und absolut unangenehm mit Rollkoffern zu begehen, sonst gibt es noch lange Treppen aus dem Ort. Das Hotel selbst ist schön über der Stadt mit Gebirgsblicken und frischer Luft gelegen, die Zimmer adäquat ausgestattet und groß, auch wenn das Ganze einer Renovierung bedarf und vergleichsweise teuer ist.




Nach etwas Relaxen schaute ich gegen 18:00 wieder zum Bahnhof, so lange kommt hier kein Zug. Die Abendsonne schaffte es noch durch ein paar Baumlücken und beleuchtete den schönen Wasserturm.




Pünktlich um 18:40 fuhr PV 16106 Dobrinischte - Septemwri ab, unsere 75 004 vom Vormittag kehrte zurück - so lange benötigt man für die ganze Strecke.









Wieder einmal eine lange Reihe an Gedenkplakaten vor der Kirche im Abendlicht.




Wir schauten uns nach brauchbaren Lokalen um, da etwas Empfohlenes jedoch kilometerweit die Straße entlang lag, entschieden wir uns letztendlich für das Hotelrestaurant. Dort bestellten wir als Nicht-Pauschaltouristen à la carte, während die meisten anderen Gäste das Buffet leer räumten. Meine bulgarische Grillplatte war wieder einmal eine Angelegenheit für 2-3 Personen, qualitätsmäßig konnte es nicht ganz mit den anderen in Bulgarien konsumierten Speisen mithalten.



9. 8. 2015

Guten Morgen, Rhodopen!
Vom Balkon des Zimmers hatte man einen schönen Ausblick auf die Mittelgebirgslandschaft. Dazu konnte man für einen Morgenschwimm zwischen Innen- und Außenpool (nicht der Zierbrunnen hier vorne ;-) ) wählen. Die Hitzewelle war hier auch nicht so zu spüren, mit Temperaturen stets unter 30 Grad, in der Früh fast frisch.




Morgens konnte man sich Zeit lassen, denn der erste Zug zu ziviler Stunde fuhr erst um 10:30 ab Welingrad.




Am Sonntag herrschte Markttag, am Rande des Geschehens vor dem Bahnhof versuchten einzelne Handwerker ihr Glück.
Allgegenwärtig in Bulgarien sind Kaffeeautomaten, gerade wird jemandem ein Schlückchen geliefert.




Vom Bahnhof führt die Strecke Richtung Septemwri entlang der Hauptstraße und überquert diese anschließend auf einer Brücke. Ich erwartete PV 16102 an der Rampe dorthin, denn Videoaufnahmen waren geplant. Die in Rumänien bei FAUR produzierte Baureihe 77 ist zwar nicht so beliebt bei Fotografen, da weniger historisch als die Henschels, dafür macht sie dieses Defizit mit einer audiovisuellen Show wett - ein Dauerzustand, wie man an der berußten Front erkennen kann.




77 009 verlässt das teils industrialisierte Welingrad. Die Wiese links unten wurde gelegentlich als Weide genutzt.




Zum Markttag versammelten sich die Massen in Welingrad, Zeit um auch ein paar Fohlen an den Mann zu bringen...
Der Billa liegt praktisch gleich beim Bahnhof.




Moderne trifft auf... ich hatte das Gefühl, dass Roma in Bulgarien sozial stärker diskriminiert werden als beispielsweise in Rumänien.




Ein Blick entlang der Kleidungs-/Ramschsektion des Marktes.









Es hatte niemand eilig, auch nicht unser Zug, der im Schritttempo einfuhr. Binnen kurzer Zeit sah ich mindestens fünf Pferdewagen quer über die Bahnhofsgleise rumpeln.




PV 16103 Septemwri - Dobrinischte, wie gestern - diesmal jedoch mit FAUR 77 002, vor dem großen Empfangsgebäude Welingrads.




Sowohl zum Markttag als auch touristisch ist die Bahn gut genutzt. Durch den Fahrgastwechsel ergatterten wir dennoch problemlos schöne Plätze.




Wir näherten uns entlang des Flusses Ablaniza der Bergsektion der Strecke. Leider lassen sich in den Wagen die Fenster nur kippen.




Einige Rhodopendörfer besitzen mehrheitlich eine Bevölkerung muslimischen Glaubens. Fünf Damen in traditioneller Kleidung stiegen am Bahnhof Zwetino nahe des Dorfes Ablaniza aus, um ihre Markteinkäufe nach Hause zu bringen.




Hinter der im Tal befindlichen Haltestelle Sweta Petka klettert man durch zwei Kehr- und einige weitere in alle möglichen Richtungen gekrümmten Tunnel Richtung Awramowo.
Hier kann man den Abschnitt genau verfolgen:
http://goo.gl/OcDJ3B

Unsere FAUR-Diesellok ließ sich mit Ruß in den Tunneln nicht lumpen, man kann ja nicht blöd vor der Dampflok dastehen... ;-)
An den Ausgängen stieg der Rauch in die Sommersonnenstrahlen.




Die Tür hinten konnte man glücklicherweise wieder öffnen.




Es wäre einer der spektakulärsten Abschnitte einer Eisenbahn im Balkan, verläuft jedoch fast komplett im dichten Wald. Nur diese eine kleine Lücke konnte ich die ganze Zeit hinten stehend ausmachen - man merkt, wie hoch wir schon geklettert sind. Auf den Mittelgebirgsrücken ist der zur Haltestelle im Tal gehörende schön gelegene Ort Sweta Petka zu erkennen.




Angekommen in Awramowo, auf 1267 m der höchste Bahnhof des Balkans.




Wie bei meinem Glück üblich verlief alles planmäßig, und so konnte ich gleich beim Kreuzungsaufenthalt den entgegenkommenden PV 16104 Dobrinischte - Septemwri in der Landschaft fotografieren. Die Strecke von Tscherna Mesta - auch mit Kehrtunneln - erreicht die Passhöhe durch ein Tal. Henschel-Lok 75 005 passiert gleich das gezogene Einfahrts-Formsignal der Station ganz rechts. Im Hintergrund sieht man wieder einmal das Rila Gebirge, auf der Straße kann man einen der unzähligen fahrenden Honig-Verkaufsstände der Region erkennen.



Nächstes Mal geht es weiter mit der Rhodopenerkundung, und vielleicht verläuft ja einmal etwas nicht ganz planmäßig... ;-)