Autor Thema: Jüdischer Osten '18 - 23: Weiß bedecktes Chișinău (50 B.)  (Gelesen 5141 mal)

Roni

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Hallo!



Zum vorherigen Teil der Serie:
Winterlicher Osten '18 - 22: Schneetag in Chișinău (50 B.)
http://www.mstsforum.info/index.php?topic=3889.0


Das Video zu dem Teil:
https://youtu.be/ApzYd_Lzrcg




20. 3. 2018

Nach Stadtrundgang und Supermarkteinkauf gingen wir am Nachmittag die verschneiten Gasse zum Hotel hinunter.




Der Schnee verdeckte zwar einige Schlaglöcher, aber er schaffte mangels Räumung auch neue Hindernisse. Über diese Stelle an der Kreuzung der Strada Pietrariei, an der unser Hotel lag, mit der großen Strada Calea Moşilor entlang der Bahn war ich mit dem Kia Rio zwei Mal problemlos drüber gekommen. Andere Vehikel, wie zum Beispiel einen VW-Bus, sah ich allerdings dort steckenbleiben. Beim dritten Mal jedoch saßen wir mit der rechten vorderen Stoßstange unten auf einem dieser Eismugel auf. Bei der nachträglichen Begutachtung war ein Riss in der Billigplastik-Schürze zu sehen. Also wurde alles dokumentiert.




Am Schneetag blickte ich bei Dämmerung aus dem Hotelzimmerfenster... was kam, kann man schon in der rechten oberen Ecke entdecken.




Um 18:29 rauchte eine Hälfte einer 2TE10M oder Drittel einer 3TE10M mit dem Zug 341F aus Moskau fast pünktlich die letzten Kilometer der langen Reise zum Chișinăuer Hauptbahnhof hinauf.




Die Rückfahrt des Zuges 341B mit Planabfahrt 20:40 filmte ich aus dem Fenster (Video bei Sekunde 0:47), nun hatte der Schneefall schon deutlich nachgelassen, die beleuchtete Verkündigungskirche gegenüber war klarer zu sehen. Am nächsten Morgen grüßten uns zarte Sonnenstrahlen.




21. 3. 2018

Abfahrt war für 6:30 geplant, das Gepäck ließen wir im Hotel. Kleines Hindernis: das Schlüsselloch des Kia (er besaß nur eines und keine elektronische Verriegelung) war eingefroren. Doch eine heiße Tasse Wasser von der Rezeption, in die der Schlüssel eingetaucht wurde, schaffte Abhilfe. Die Straßen waren trotz schönen Morgens noch weniger geräumt als zuvor, an der Ausfahrt zur Hauptstraße blieb auch der Kia kurz hängen, doch mit ein bisschen zurückschieben und Anlauf ging es schon. Ich plante den ersten Zug am Anfang des Stausees Ghidighici zu erwischen. Dazu fuhren wir die Strada Petricani hinaus und bogen dann von der M21 auf die L445 ab, welche recht steil einen Hügel hinunter führt. Dort begegneten wir einem quer stehenden Tanklastzug, der die Steigung nicht hinauf kam - er wurde vorsichtig umschifft. Bis zur Station Ghidighici konnte man der Straße trotz Schneedecke problemlos folgen, doch dann sah ich einen Lastwagen auf der ultimativen Schlaglochpiste Strada Feroviarilor auf uns zuschaukeln - nein, mit unserem Fahrzeug kamen wir dort nicht weiter. Von der anderen Seite über die R1 hätte man noch rundherum fahren können, doch das war mir schon zu knapp mit dem ankommenden Zug. Also: was tun? Wir fuhren die Straße zurück, die einzige Stelle mit Zugang zur Bahn wäre die Station Pruncul, doch das Umfeld dort war weniger als einladend - und wie sich später herausstellte lag dort neben Industrie auch ein Gefängnis gleich neben der Bahn. Wir fuhren die Steigung zurück hinauf, der Tanklastzug hatte es inzwischen wieder hinunter auf eine Nebenstraße geschafft. Die M21 überquert die Bahn auf einer Brücke - das wäre doch eine Möglichkeit? Also fix das Auto bei einer Tankstelle danach abgestellt - wo sich übrigens gerade mehrere Polizeistreifen zur Kaffeepause versammelten. Ich schnappte die Fototasche und ging zur Brücke. Video nahm ich wegen des dichten Verkehrs nicht mit. Fast hätte ein Blick über einen Teich am Fluss Bîc auch gepasst, doch war die Strecke leider nicht genügend frei. Daher ging ich vor zur Brücke über die Bahn und entdeckte einen Forstweg hinunter. Das war natürlich wesentlich reizvoller, als neben der Straße zu stehen. Zudem hatte ich ja schon am Tag zuvor von oben fotografiert, eine Perspektive von unten schien interessanter. Ich wartete um 7:30, der angepeilte Zug sollte um 7:46 am Hauptbahnhof ankommen.





















Wieder für die weite Strecke recht pünktlich, bog Schnellzug 061B aus St. Petersburg um 7:39 um die Ecke.




Wieder war es die schon erlebte 2TE10L-1250 B-Sektion.




Schneestaub-Action in Moldawien - wer könnte das erwarten!




Und ein bisschen Blau mit Sonnenlicht zeigte sich ebenfalls, auch das war nach dem Tag zuvor eher unwahrscheinlich.




Der erste Wagen stammte von der weißrussischen Bahn.




Der Rest der Garnitur war wieder top in Altgrün gehalten.









Anschließend fuhren wir weiter raus nach Străşeni, doch den nächsten Zug wird es erst im nächsten Bericht zu sehen geben. Auf der Rückfahrt musste ich den Kia vorsichtig die steile Strada Milano hinaufbugsieren, dann war mit dem jüdischen Friedhof der nächste Besichtigungspunkt erreicht.









Es handelt sich um den größten jüdischen Friedhof Moldawiens, manche Quellen sprechen auch vom größten Europas. Chișinău war einst ein Zentrum der jüdischen Kultur in Europa, bis zum zweiten Weltkrieg machten Menschen jüdischen Glaubens etwa die Hälfte der Bevölkerung aus, laut einer rumänischen Volkszählung 1930 waren es 270000 gewesen. Wer dem Holocaust entkommen konnte, kehrte zu Sowjetzeiten wieder zurück, jedoch wanderten viele vor allem im späteren 20. Jahrhundert nach Israel aus - 75000 Menschen mit moldawischen Wurzeln haben es dorthin geschafft. Doch im Gegensatz zu anderen Orten wohnen in Chișinău auch heute noch 10000 Personen, die sich zum Judentum bekennen (nach antireligiösen Sowjetzeiten wahrscheinlich mehr mit jüdischen Vorfahren), weswegen es nicht wie sonst oft nur Verfall, sondern eine genutzte Abteilung des Friedhofs zu finden gibt.

Mehr Information: https://de.wikipedia.org/wiki/J%C3%BCdischer_Friedhof_(Chi%C8%99in%C4%83u)

(auf Englisch): https://en.wikipedia.org/wiki/History_of_the_Jews_in_Moldova




















Wir wanderten auf Tierspuren bergauf.



















Die Friedhofshüter waren mit der Renovation von Gittern beschäftigt, diese wurden auch gleich als Schneepflug verwendet.
























In der vom Eingang entfernten unteren Ecke des Friedhofs, schon nahe Wohnblöcken, befindet sich der älteste Teil des Friedhofs mit zerstörter Synagoge aus dem 19. Jahrhundert.
























In der Sowjetunion typisch waren Grabsteine mit Skulpturen, die die Tätigkeit der verstorbenen Person symbolisieren.




Anschließend fuhren wir zum Flughafen, um den Wagen zurückzugeben. Für den Schaden an der Stoßstange wurde ein Teil des Selbstbehalts einbehalten, den ich aber ein paar Tage nach der Reise schnell und unbürokratisch vom Rentalcars Komplettschutz zurück überwiesen bekam - kann dazu bei Fahrten in Ländern mit derartigen Straßenverhältnissen nur raten, man sollte nur den Richtlinien zur Dokumentation folgen und sich vom Vermieter alles bestätigen lassen. Ein nicht ganz offizielles Taxi - was den Einteiler am Flughafen aber nicht störte - setzte uns im Zentrum an der Puschkinstraße ab.




Gleich daneben das Gheorghe Asachi-Gymnasium.




Im Hintergrund die Kathedrale der Heiligen Theodora von Sihla.









An der Seite des Nationalen Kunstmuseums findet man das Restaurant PaniPit, wo wir unter anderem dieses moldawische Kotelett mit Mămăligă genossen.




Draußen machten wir noch einen Rundgang, hier trifft öffentlicher Verkehr auf nicht sonderlich ärmlichen privaten Verkehr.




#3789 ist ein ZiU-682G von 1990.









Die Häuser im Zentrum waren ehemals auf ein Stockwerk beschränkt gewesen.




Ein Škoda 14TrDT/6M, geliefert 2002.




Vor dem Geschichtsmuseum stand unter anderem ein Kamow Ka-26 Hubschrauber mit Koaxialrotor. Darunter das Lokal "Propaganda".




Wir stiegen in den brandneuen RTEC 62321M2 #3907 vom September 2017, wo uns die Schaffnerin Einzeltickets um je 2 Lei (10 Cent) verkaufte. Wie bei solchen Preisen Korruption möglich sein soll, ist nicht ganz klar.




An der Station Circul angekommen, ein letztes Trolleybusbild der Reise mit ZiU-682V-013 #3792 von 1990 vor dem ehemaligen Staatszirkus.




Wir kehrten in das Hotel zurück, um das Gepäck zu holen, und ließen ein Taxi rufen. Vor der Hoteleinfahrt fand ich dieses Vehikel abgestellt.




Ein holprige Fahrt durch den Stoßverkehr über diverse Abschneider, wo auch der Taxifahrer angehupt wurde, und wir hatten kurz vor vier den Hauptbahnhof erreicht. Die Fahrpläne draußen an den Türen waren allerdings schon lange nicht mehr aktuell.




Wir nahmen Platz in der Wartehalle. Ein Securitymann wollte wissen, wohin wir fahren würden und ob wir Karten hätten, ansonsten wurden wir in Ruhe gelassen. Wir machten nur ein paar Handyfotos, aber bald sollte es losgehen...



Im nächsten, grenzüberschreitenden Teil widmen wir uns zu 100% der Eisenbahn! :-)
« Letzte Änderung: 18. April 2018, 19:11:19 von Roni »