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DBAGeler

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Schon jetzt mit Verspätung
« am: 27. November 2006, 17:23:22 »
Schon jetzt mit Verspätung

Mit Volldampf voraus - oder längst ein Museumszug (wie dieser): Der RRX braucht seine Zeit. Foto: WAZ, Frank Vinken

Der Rhein-Ruhr-Express hat endlich grünes Licht bekommen. Eigentlich sollte er bereits zur WM rollen.
Aber nun soll es noch bis 2015 dauern. Typisch deutsche Bürokratie - oder internationales Phänomen?

Essen. Grünes Licht für den Rhein-Ruhr-Express (RRX). Das teilten die Verkehrsministerien in Düsseldorf und Berlin mit. Wer sich jetzt an den Kopf fasst und grübelt "Habe ich das nicht schon mal gelesen?", ist auf der richtigen Fährte. Denn die schnelle Nahverkehrsverbindung zwischen Dortmund und Köln gehört zu den Spitzenprodukten bundesdeutscher Ankündigungspolitik.

Seit drei Jahren wurde der Rhein-Ruhr-Express von den Politikern der jeweiligen Regierungsparteien immer wieder "auf die Schiene gesetzt". Nach dem Aus für den Metrorapid, der seit dem Jahr 2000 die NRW-Nahverkehrspolitik voll und ganz, aber ohne Erfolg beschäftigt hatte, war als Ersatz eine "Super-S-Bahn" aus dem Hut gezaubert worden. Die später zum RRX mutierte Bahn sollte zur Fußball-WM 2006 rollen.

Jetzt sind die Planungen in der Wirklichkeit angekommen: 2015 könnte der Express-Zug rollen - und der wartende Nahverkehrspendler reibt sich verwundert die Augen: Was 2003 noch in nur drei Jahren Realität werden sollte, braucht jetzt neun Jahre? Warum wird die Verspätung immer größer?

NRW-Verkehrsminister Oliver Wittke scheint eine andere Taktik als seine Vorgänger anzuwenden. Er hat keine WM vor Augen und geht deshalb mit Planungs- und Bauzeiten großzügiger um. Und vielleicht kann er irgendwann einmal mit einem früheren Starttermin glänzen. Wenn in den nächsten Tagen die Planungsvereinbarung mit Bund und Bahn unterschrieben ist, kann mit dem Planen begonnen werden, woran sich das Planfeststellungsverfahren als amtliche Voraussetzung für den Bau von Großprojekten anschließt. Ob das so reibungslos abgeht, wird von Fachleuten bezweifelt. Denn auf der Trasse soll es einige Engpässe geben, an denen mit Widerständen von Anwohnern gerechnet wird. Wer sich über diese Prozedur wundert, weil doch schon für den Metrorapid-Bau die gleiche Trasse geplant wurde, hört aus dem Verkehrsministerium die lapidare Antwort, dass diese Pläne für den RRX nicht zu gebrauchen seien. Und so wird die Planungsbasis für den Bau wohl erst 2011 gelegt sein. Nach dem ersten Spatenstich soll es dann vier Jahre dauern, bis der erste Zug auf der gesamten Strecke fahren kann.

Typisch deutsche Bürokratie, wird sich so mancher Fahrgast ärgern und bis 2015 weiter auf verspätete und überfüllte Regionalzüge warten. Doch - ein schwacher Trost - auch in anderen Ländern stehen Politiker und Bahnunternehmen mit Neubauprojekten oft auf Kriegsfuß.

So erinnert sich der Londoner WAZ-Korrespondent Ulrich Schilling-Strack an die Eröffnung des Eurotunnels vor zwölf Jahren. Die Züge, die seitdem unter dem Ärmelkanal hindurchbrausen können, flitzten auf französischer Seite von Anfang an auf neuen Trassen schnurstracks nach Paris. "Doch hier auf der Insel landeten die supermodernen Schnellzüge gleich nach dem Tunnel auf altehrwürdigen Lokalbahnstrecken." Inzwischen sei die Trasse nach London zwar Stück für Stück ausgebaut worden, doch die letzten Kilometer vor der Hauptstadt würden - wie in diesen Tagen angekündigt wurde - erst im nächsten Jahr fertig. Der Grund für die Verspätung: unzureichende Planungen und zu wenig Geld.

Auch in Frankreich läuft beim Bahnbau ohne Geld natürlich nichts. So waren es die Finanzen, die dazu führten, dass sich der Ausbau der Hochgeschwindigkeitsstrecke TGV-Ost zehn Jahre lang hinzog. Aber in Sachen Planung, gibt es in unserem westlichen Nachbarland keine große Verzögerungen, wie WAZ-Korrespondent Joachim Rogge zu berichtet. Da werde nicht lange gefackelt, denn nur eine Behörde sei für Planungen zuständig. Eine Folge der zentralistischen Strukturen in Frankreich. "Nach Gutsherrenart wurden Bahntrassen durch die Landschaft geschlagen, Leute enteignet." So kann man Bahntrassen zügig bauen. Doch inzwischen ist das auch in Frankreich nicht mehr ganz so einfach: Der Staat hat erkannt, dass man die Leute bei den Planungen mitnehmen muss. Und so gibt es bei großen Bauprojekten inzwischen auch Bürgeranhörungen.

Das würden sich auch die Bahnkunden wünschen, wie es der Fahrgastverband Pro Bahn seit Jahren fordert. Taktzeiten, Linienführung und Qualität des Angebots müssen mit den Pendler besprochen werden. Was in der Schweiz funktioniere, müsste auch in NRW möglich sein. Allerdings würde das wohl noch zu mehr Verspätung beim RRX führen.

Quelle: http://www.waz.de/waz/waz.westen.volltext.php?kennung=on3wazWESRegRegion_Rhein-Ruhr39036&zulieferer=waz&kategorie=WES&rubrik=Region&region=Region_Rhein-Ruhr&auftritt=WAZ&dbserver=1