Hallo!
Die Einleitung:
Dampf in Bosnien 2010 - Kriegsloks im Einsatz (10 V.)http://www.mstsforum.info/index.php?topic=2743.0Das Video zu dem Teil:http://www.youtube.com/watch?v=XMSPr-ko2ugAm Morgen des 31. 3. 2010 stand ich früh auf zur Abfahrt des IC 285 "Zagreb". Als stilgerechte Anreise zur Farrail-Dampftour hatte ich mich zur Zugsfahrt nach Zagreb entschieden, von wo ich nach einem Nachmittag in der Umgebung mit dem Nachtzug nach Sarajevo weiterfahren würde. Die Strecke ab Wien Meidling habe ich nun schon ein paar Mal zurückgelegt, neu war nur die Zusammenlegung des Zuges mit IC 553 bis Wiener Neustadt seit Fahrplanwechsel. Schon in Sopron wurde auf eine M41 gewechselt, so dass der früher längere Halt in Szombathely ausfiel. Die Strecke Sopron - Szombathely erwies sich als sehr interessant, bei jeder Station waren grosse Kohlemengen aufgehäuft worden, und unterwegs sah ich eine private ex-rumänische 60er mit Kohlewaggons und eine M62 mit Bauzug. Letzteres sollte sich eher negativ auf meine schnell gefassten Pläne auswirken, die Strecke bald nach meiner Rückkehr zu besuchen, denn sie wurde nun von 1. April bis Anfang Juni 2010 gesperrt, ich hatte also den letzten Tag erwischt. Alle Personenzüge werden im Schienenersatzverkehr geführt, der "Zagreb" verkehrt momentan im Bereich Wien - Sopron - Wien mit GySEV-Wagen.
Zugbegegnung im Knotenbahnhof Zalaszentiván, der seit meinem Besuch 2007 für die Elektrifizierung der Strecke Richtung Zalaegerszeg und Slowenien komplett modernisiert wurde.
Bis zur Grenze verlief die Fahrt pünktlich, dann mussten wir natürlich wieder einmal auf den IC 200 aus Budapest über die Balaton-Südstrecke warten. Mit etwa viertelstündiger Verspätung wurde Zagreb erreicht, wo ich mich vor der Freizeit noch der Pflicht widmete, die aus Gepäck abgeben und Fahrkarten kaufen bestand. Hier gab es keine Probleme, es dauerte nur etwas lang, manuell für jeden Teilabschnitt zwischen Zagreb und Sarajevo die Railplus-Ermäßigung auszurechnen.
Nach kurzem GM-Intermezzo (Eilzug 994 nach Kotoriba nimmt man doch mit, wenn man schon da ist), wollte ich mich diesmal der Strecke nach Koprivnica widmen, insbesondere den "Zagreb" bei der Rückfahrt erwischen. Also bestieg ich Putnicki 2207 nach Koprivnica, bestehend aus 1141 und mehreren Wagen, die auch nötig waren. Doch noch während des Aufenthaltes in Zagreb tuckerte wieder eine GM am Fenster vorbei, etwas Grünes mit einem langen Güterzug! Da ich es spontan nicht ganz identifizieren konnte, beugte ich mich aus dem Fenster und sah: eine brandneu aufgearbeitete ZS 661 in Altlack, auf Lastprobefahrt, am Ausfahrtssignal wartend! Da ich noch einen Zug Puffer bis zum "Zagreb" hatte, wurde der Plan spontan umgekrempelt, bei der nächsten Station nahe des grossen Parks mit Zoo Maksimir verliess ich meinen Regionalzug gleich wieder und fand auch eine schöne Reihe blühender Bäume.
Nach nur drei Minuten hörte man schon von weitem das GM-Donnern in den Häuserschluchten, und kurz darauf kam die ZS 661-243 an mir vorbei, leider sprang das Signal erst auf Grün, als sie bereits vorüber war, so kam ich nicht in den vollen Soundgenuss aus nächster Nähe. Trotzdem ein äusserst eindrucksvoller Anblick, sicher die 661 im besten Zustand, den ich jemals zu Gesicht bekam, sah fast unwirklich aus in der neuen Lackierung. Insgesamt wieder eine erschreckende Fortsetzung meines omnipräsenten Reiseglücks...
Das Panorama in höherer Auflösung findet man hier:
http://raildata.info/zeug/bosda10/bosda1003gr.jpgAn der Haltestelle Maksimir drängten sich inzwischen die Menschenmassen. Im zweiteiligen 7121 "Macosa" Dieseltriebwagen, der mich als Pu 2305 nach Bjelovar abholte, wurde es nicht besser, im Gegenteil: Stehplätze wurden schon knapp.
Glücklicherweise gab es Pausen zum Atmen, auch wenn die Zeit schon knapp wurde. In Vrbovec wurde ein längerer Kreuzungshalt eingelegt, um auf B 702 aus Osijek zu warten. Zur Planzeit des Schnellzugs kam zunächst ein Güterzug des Weges.
Mit 10 Minuten Verspätung erreichte der Schnellzug Vrbovec, wir fuhren mit ebensolcher weiter, der "Zagreb" war schon in seiner namensgebenden Stadt abgefahren.
Auf meiner Fahrt nach Zagreb hatte ich schon einen netten, ländlichen Ort mit einigen Möglichkeiten entdeckt, Gradec, zwischen Vrbovec und Krizevci. Für mein Hauptziel begab ich mich auf die Strassenbrücke. Die Wetterbedingungen waren toll aprilhaft, erinnerten am ehesten an die britischen Inseln. Und mein Zug gewann die Wetterlotterie, IC 201 "Kvarner" Zagreb-Budapest als erster Zugteil vereint mit IC 284 "Zagreb" Zagreb-Wien Meidling unter den spektakulären Wolken des letzten Märztages 2010.
Um die Zeit kommt jede halbe Stunde ein interessanter Express aus Zagreb, leider nichts in die Gegenrichtung. Am IC 590, der nachmittäglichen Schnellverbindung nach Varazdin und Cakovec, hatte ich leicht auf eine GM gehofft, doch es wurde nichts, in Koprivnica wird umgespannt. Bei einem Trampelweg von der Haltstelle ins Dorf fand ich diese Stelle mit Schafverschlag vor. Die selbe Schafherde wurde später offensichtlich so geschockt, dass sie springend den Zaun überwand, um danach frei neben der Strecke zu grasen.
Auf dem Weg von der Brücke hatte ich dieses Überbleibsel der Partisanenzeit entdeckt, das natürlich nicht unumgesetzt bleiben wollte. Ich behielt mir dafür Pu 2209 nach Koprivnica, wieder ein längerer, lokbespannter Zug, auf.
Wieder kurz darauf passiert IC 581 "Podravka" nach Osijek, gezogen von 1141-310 im Neulack, die Schafherde in Freiheit.
Um die Zeit gab es, wie schon letztes Jahr in Wales, viele süsse Osterlämmchen.
Nun versammelten sich bereits die Passagiere meines Zuges zurück in die Hauptstadt, inklusive des lokalen Trunkenboldes, der gerne fotografiert werden wollte. Natürlich muss man sich bei dieser Gelegenheit auch extra schön herrichten:
Nach meiner Rückkunft in Zagreb im nun angenehm halbvollen 7121er als Pu 2306 zurück aus Bjelovar ergab sich eine herrliche Stimmung, als die Sonne durch die Wolkenlücken brach. In der Ferne rangiert gerade eine 2044 an Pu 3016 nach Kotoriba.
Die erste Reihe fussfrei für den Sonnenuntergang.
Bald danach kam IC 311 aus Villach des Weges.
Ich begab mich nun auf dem Weg zum Abendessen, im Sommer hatten wir uns eine gute Portion Banja Luka Cevapcici liefern lassen, der liefernde Imbissstand lag in Gehdistanz zum Bahnhof. Unterwegs widmete ich mich gelegentlich den Strassenbahnen.
Auch die älteste Type, die ich im Sommer nicht sah, tauchte wieder auf. Hier ein Treffen der neuesten und ältesten Generationen.
Mit gut gefülltem Magen bewegte ich mich langsam zurück zum Bahnhof, um möglichst früh in den B 399 nach Sarajevo einsteigen zu können.
Genau als die Garnitur um 20:50 bereitgestellt wurde, begann es zu schütten. Ich wählte den alten ex-DR ZRS Wagen, so fängt das Abenteuer am Besten an! Für Impressionen der Nachtfahrt siehe das Video. Es war eine schöne, fast Vollmond-beleuchtete Nacht. Höhepunkt war die Kreuzung mit B 398 eine Station nach Banja Luka in Celinac: der Lokführer des Gegenzuges fuhr im Mondschein ohne Spitzenlicht! Die ganze Reise war ich komplett allein im Abteil, auch der Wagen war kaum gefüllt. Bis auf Grenzkontrollore und Schaffner schaute nur eine Bettlerin kurz rein. Als die Dämmerung im Bosna-Tal anbrach, konnte man schon etwas mehr sehen. So auch unsere erste Dampfstation Kakanj, eine Stadt mit dominierenden Industrieanlagen, Kohleförderbänder überall. Beim Einbiegen nach Sarajevo kam die Sonne hinter den Bergen hervor, deren höchste Gipfel noch schneebedeckt waren. In Rajlovac passierte ich das Depot mit einer Reihe ausser Dienst gestellter ex-DB V100. Die Endstation erreichten wir am 1. April mit 20 Minuten Verspätung, viel davon war noch Abfahrtsverspätung aus Zagreb.
Der Morgen in Sarajevo empfing mich besonders leuchtend. Offensichtlich hatte es noch kurz davor geregnet, nun präsentierten sich alle Farben wie frisch gewaschen. Als besondere Überraschung erwartete mich gleich ein ehemaliger Wiener Triebwagen Type E am Bahnhofsvorplatz, bei meinen bisherigen Besuchen sah ich sie maximal aus der Ferne. Daher entschied ich mich, auch wenn ich einen Rollenkoffer hinter mir herzog, zu Fuss zu meinen Verwandten zu gehen und unterwegs im herrlichen Morgenlicht ein paar Fotos zu machen.
Ein E verlässt den Bahnhofsplatz, der nächste kam gleich danach - doppelt Glück!
Schon ein bisschen weiter, vor dem Holiday Inn, kam mir der erste Triebwagen nach seiner Runde um die Altstadt wieder entgegen.
Und der zweite näherte sich aus der anderen Richtung.
Der Klassiker!
Die nasse Strasse wirkte wie ein natürlicher Reflektor, Morgengymnastik macht da doppelt Spass!
An der Miljacka, dem Fluss durch Sarajevo, herrschte tolle Gegenlichtstimmung.
Die Morgenrushhour nahm an der Promenade des Ban Kulin ihren Lauf, inzwischen war es halb acht.
Auch die Original-Triebwagen aus Sarajevo gibt es noch, allerdings wurde der Stromabnehmer nun nach vorne verfrachtet, noch vor kurzem waren sie hinten angebracht.
Bei meinen Verwandten konnte ich ein bisschen Schlaf nachholen, danach ging es kurz ans Lauftraining, was in dem Teil der Stadt allerdings eher schwer ist, sofern man keine Ambitionen als Bergläufer hat. Das kurze Stück ohne Autoverkehr an der Miljacka wird auch bald fad, also widmete ich mich dem nächsten Programmpunkt: dem seit Fahrplanwechsel neu eingeführten B 450 nach Belgrad. Nach dem Abheben einiger bosnischer Mark zwängte ich mich in eine der bummvoll gefüllten Strassenbahnen, wie auch die ganze Stadt vor Leben aus den Nähten platzt. Wie mir aber einer der Minenarbeiter in den nächsten Tagen mitteilte, ist die Meinung der Landbevölkerung eher, dass hier zwar Stau herrscht, aber nur damit die Leute zu ihrem Kaffee kommen. Was wohl auch etwas der Wahrheit entspricht, wer die Bosnier kennt.
Relativ blind zwängte ich mich bei einer Haltestelle wieder raus und kam durch Zufall doch genau dahin, wo ich schon mit zwei Freunden vor Jahren fotografiert hatte. Damals blieben wir auf einer Fussgängerbrücke, im Sommer war auch alles ziemlich verwachsen. Diesmal erkundete ich die Strecke in beiden Richtungen etwas weiter. Den B 450 Sarajevo - Beograd mit 441-901 in TCDD-Lack nahm ich aus tiefer Perspektive auf, das friedliche Zusammensein der ZFBH- und ZS-Wagen ist schon einmal ein Fortschritt. Zudem sollen ja die Talgos für internationale Verbindungen nicht mehr fern sein.
Das "Auspuh"-Service braucht diese Fuhre sicher nicht!
Unterhalb meines Standpunktes lagen noch ein paar alte Verschubgleise, Fundgruben für antike Infrastruktur.
Eine einzelne 441er als Verschubfahrt vor den schneebedeckten Bergen, von den Lokführern wurde ich mit freundlichem Hupen gegrüsst.
Das einzige mir bekannte Formsignal in Sarajevo und die alte Einfachfahrleitung der Rangiergruppe.
Lokalni 2154 nach Zenica mit alten grünen Wagen wurde von der vorher gesichteten 441-307 gezogen.
Eigentlich hatte ich eher auf einen Triebwagen spekuliert, wie ich ihn in den nächsten Tagen auch mit dieser Leistung sichten konnte.
Da es so schön war, wartete ich noch eine Stunde auf den Lok 2402 aus Konjic mit 441-907, nur über meinem Kopf spielte sich ein Mini-Fotowolken-Krimi ab, der wieder einmal gewonnen wurde.
Nun aber rief einen der Hunger zu den weltbesten Cevapcici in der Bascarsija, also zurück zur Strassenbahn. Hier einer der modernisierten Triebwagen.
Kurz bevor die Cevapi serviert wurden, kam ein muslimischer Begräbniszug vorbei, eine neue Erfahrung für mich, sehr interessant. Nach dem vorzüglichen Mahl, auch wenn das Lokal etwas kalt modernisiert wurde seit dem ich das letzte Mal dort war, schlenderte ich wieder langsam durch die Innenstadt zurück, um noch eine kurze Siesta zu halten. Die Gruppe sollte um etwa vier beim Strassenbahndepot sein, also begab ich mich um 15:15 auf den Weg mit Koffer zur nächsten Strassenbahnhaltestelle. Als strategischer Schachzug fuhr ich zunächst zwei Stationen in die Gegenrichtung um die Bascarsija, nur so konnte man irgendwie mit Gepäck in die Strassenbahnen gelangen. Es kam zufällig gleich ein Wiener, doch nur zum Bahnhof, also nichts für mich.
Ich brauchte einen Zug der Linie 3 nach Ilidza, und der folgte gleich als nächstes in Form eines ehemaligen Triebwagens der Amsterdamer GVB. Ich ergatterte den Sitz gleich hinter dem Fahrer, durch das schräge Fensterdesign der Front kann man so praktisch nach vorne rausschauen. Dadurch erwischte ich auch dieses E-Treffen an perfekter Stelle, wo die Gleise auf den Innenstreifen wechseln.
So erreichte ich bequem das Depot und wartete am Eingang. Nach kurzem Telefonat mit Bernd Seiler erfuhr ich, dass der Rest der Gruppe bald in einem gut sichtbaren grossen, blauen Bus ankommen würde, und so war es dann auch. Als erster Programmpunkt stand die Depotbesichtigung auf dem Plan. Der Washingtoner Museumstriebwagen war zu sehen, doch leider war er nicht weit genug vor der Remise geparkt worden, die schon halb ihren Schatten im Nachmittagslicht auf die Front warf. Weitere Wiener E, sowie eine bunte Mischung aus anderen Triebwagen gab es ebenfalls zu bewundern.
Die Feuerwehr-Zufahrt, parken verboten, gleich neben dem alten Bushaltestellenschild.
Ein Mount Everest aus Sand.
Triebwagen, die in die Remise einrücken, fahren eine Runde um die ganze Anlage.
Die Rückseite der Werkstatt, wobei dieser Mechaniker wohl auch für einen gewissen Reifenkonzern arbeiten könnte...
Ein romantischer, einsamer Strassenbahnsitz am Miljacka-Ufer mit Blick auf Brücke und Strassenbahn.
Die Stromabnehmer-Sammlung.
Im Hintergrund eine moderne Moschee.
Anschliessend fuhren wir raus nach Ilidza und checkten in das relativ neue Business-Hotel "Hollywood" ein, gleich neben der Strassenbahn-Schleife gelegen. Das Abendessen gab es in Buffet-Form, wobei es interessant war, einmal ein paar bosnische Spezialitäten nicht persönlich bekocht von Verwandten, sondern von der Gastronomie vorgesetzt zu bekommen. Der grösste Teil des Angebots bestand jedoch aus internationaler Küche, wie auch das gesamte Hotel zwar komfortabel und gut gelegen, jedoch ohne Flair ist. Der ideale Stützpunkt für die erste Nacht, aber auch nicht mehr. Nach angenehmer Nachtruhe begab ich mich vor dem Frühstück(sbuffet) vor die Haustüre, um die Morgenstimmung einzufangen. Ein Triebwagen mit "Grazer Wechselseitige"-Werbung, ex-GVB (Amsterdamer, nicht Grazer Verkehrsbetriebe, wie vielleicht naheliegender wäre, aber die Werbungen auf den Strassenbahnen sind alle aktuell) kurz vor der Wendeschleife Ilidza.
Das Highlight ist gleich daneben die Startbahn des Flughafens, ein paar Leitlichter sind sogar auf der Strasse platziert. In der kurzen Zeit erlebte ich gleich zwei Starts, keine Kunst ein Flugzeug davon mit den gerade aus dem Depot ausrückenden Strassenbahnen abzulichten!
Im nächsten Teil wird das Technologie-Niveau wieder um einiges runtergeschraubt - dampfend - bis dann!