Hallo!
Der vorherige Teil der Reportagen:
Indien 2012 - 18: Goa - Diesel im Paradies I: Anpfiff! (50 B.)http://www.mstsforum.info/index.php?topic=3254.0Das Video zum Bericht:
http://www.youtube.com/watch?v=Ln9ntoVBVts&hd=1Wie versprochen gibt es zu Beginn dieses Teils einen Überblick über die Bahnstrecken Goas. Diese inkludieren zum einen die neu gebaute Konkan Railway Nord-Süd Küstenhauptstrecke, welche von den Vororten Mumbais (Roha) über Goa nach Mangalore (Tokur, kurz davor) führt. Die Gesamtstrecke über 738 km wurde 1998 eröffnet, der Grund für den späten Bau waren die enorm schwierigen Geländegegebenheiten dieser Konkan genannten Küstenregion. Zum einen besteht sie aus weiten Flussdeltas mit Sumpfgebieten und Mangrovenwäldern, zum anderen aus gebirgigem Terrain. Mehr hier:
http://en.wikipedia.org/wiki/Konkan_RailwayDie andere Bahnstrecke ist der ursprüngliche Weg, auf dem man wie schon woanders gesehen über die Ghats erst das Deccan Plateau erklimmen muss. Bis zum Bau der Konkan Bahn konnte man nur über diesen Umweg Goa erreichen. Die Bergstrecke von Kulem bis Castle Rock nennt sich Braganza Ghat, angeblich nach einem Hirten, welcher die Passage entdeckt hatte. Castle Rock liegt bereits außerhalb Goas und war früher die Zollstation zur ehemaligen portugiesischen Kolonie. Die Strecke führt zur belebtesten Stadt der Region, Madgaon (auch Margao), dann parallel zur heutigen Konkan Strecke und ab Majorda als Stichstrecke bis Vasco da Gama. Die Breitspuranlagen sind ebenfalls relativ neu, denn früher herrschte hier wie so oft in Indien Meterspur mit Dampfbetrieb. Ranjit aus Pune erzählte mir eine nette Anekdote aus seiner Kindheit, als die Dampflokführer immer bei ihm stehenblieben, weil sie Tee ausgeschenkt bekamen. Es war eben noch eine andere Zeit mit ganz anderem Lebenstempo.
Ich habe alle wichtigen, in den Reportagen vorkommenden Punkte markiert. Als nächstes stand eine Fahrt im Regionalzug nach Kulem auf dem Programm. Auf der Strecke Vasco - Kulem verkehrten drei Regionalzugpaare am Tag, weiter auf den Braganza Ghats gab es keinen Regionalverkehr mehr, die eingezeichneten Station wurden nicht regulär bedient. Manche Touristen und Einheimische nutzten die Schiebeloks der Ghat Sektion als lokale Mitfahrgelegenheit.
18. 2. 2012In aller Frühe ein häufiger Gast auf der Liegewiese vor meinem Zimmer, ich sollte ihn an einem anderen Tag noch bei Sonne erwischen.
Dies sollte der Goa-Erkundungstag sein, ich machte mich um 6:30 auf, drei Kilometer zu Fuß, denn Taxis waren in Goa nur in den Zentren leicht zu ergattern, bei den Hotels erst zu späteren Tageszeiten. Es war aber kein Problem bis zur Station Majorda zu gelangen. Unterwegs bekam ich schon einen Geschmack von der unterschiedlichen, aber auch nicht so unterschiedlichen Kultur Goas im Gegensatz zum Großteil Indiens. Das Christentum wurde hier in etwa genauso betrieben wie der Hinduismus, mit Schreinen überall, grellen, geschmacklosen Figuren und übergroßen Aufschriften, also: laut und bunt. Auf der Strasse kam mir ein Minibus mit der Windschutzscheiben-breiten Aufschrift "Ratzinger" entgegen. Ich durchquerte das Zentrum meines Dorfes, Betalbatim, mit Schule, Läden und Kirche. Alles hatte in etwa die Stimmung einer Mischung aus Brasilien und Indien.
Die Pfarre von Betalbatim wurde 1630 gegründet, die aktuelle Kirche "Our Lady of Remedios" stammte von 1809.
Anschließend lief ich ein Stück über Land, hier hielt sich schöner Bodennebel in den angrenzenden Feldern und Sümpfen.
Nebeliger Sonnenaufgang.
Das letzte Überlandstrassenstück bis nach Majorda.
Muahaha! ;-)
Wieder ein Stück anders als Restindien: Gratulation zur goldenen Hochzeit, Mr. Jesus und Mrs. Filipina Fernandes!
Darunter: eine Nokia-Werbung.
Ja, mein Indien- Favorit: alte Reklame-Bemalungen.
Endlich erreicht, den Bahnübergang nördlich des Bahnhofs Majorda, der beide parallele Bahnstrecken überspannte.
Viele Schulkinder überquerten die Gleise, im Vordergrund die Schrankenkurbel.
Der Posten bekam von mir die Fotogenehmigung überreicht, woraufhin er lange, oft laut lachend mit einer anderen Stelle telefonierte. Die allgemeine Gemütslage war hier natürlich entspannt, zudem war man fotografierende Touristen gewohnt.
Alte Auflistung der Schrankenwärter auf der Wand der Hütte unterhalb des Daches, aber vermutlich wurde nun nicht mehr derart aufgezeichnet.
Ich wartete auf den Kulem – Vasco Passenger, der früher als mein Zug in die Gegenrichtung abfahren sollte, mit Kreuzung in Cansaulim, wie im Vorbericht zu sehen. Doch nichts kam zur Planzeit, und der Wärter teilte mir mit, dass der Zug nach Kulem zuerst kommen würde. Also machte ich mich die Gleise entlang zum Bahnhof auf. Kurz darauf meldete sich die Glocke am Übergang, und ich stellte mich auf einem Gleis hinter einem abgestellten Güterzug in Position.
Der Schranken war noch offen, doch im Hintergrund sah man schon den Express rechts auf der Konkan Strecke heranrauschen, links ging es nach Vasco, die Strecken teilten sich erst ein wenig weiter hinten.
Der Schrankenwärter tat seine Pflicht, und schon waren die Schranken geschlossen.
Ernakulam WDM-3A 14055 zog den 16335 Nagercoil Express Richtung Ziel an der Südspitze des Subkontinents.
Kokospalmen dominierten die Umgebung.
Ich begab mich zum Hausbahnsteig von Majorda Junction, doch letztendlich kam doch der 56961 Kulem - Vasco Passenger zuerst, mit etwa 20 Minuten Verspätung.
Wie auch schon tags zuvor stand am Mittelgleis eine traktionslose Güterzuggarnitur abgestellt.
Die Bespannung der beiden Regionalzugpaare blieb über die Tage gleich, hier wieder einmal Gooty WDG-3A 14586.
Ab nun wurden fast alle Bilder des Berichts mit der kleinen Kompaktkamera gemacht.
Ich unterhielt mich kurz mit der Lokmannschaft, diese meinten zunächst, dass sie gleich ausfahren würden.
Ich machte mich zum Ausfahrtsvideo bereit, doch dann wurde ich zurückgerufen, der Gegenzug sollte doch hier kreuzen, wie dieser Gemäldeversuch beweist.
Nun, so kam es, dass ich auch ein unplanmäßiges Kreuzungsfoto in Majorda anfertigen konnte, links rollte der 56962 Vasco - Kulem Passenger, mit dem ich am Tag zuvor angekommen war, hinter Gooty WDG-3A 14625 ein.
Schnell auf der Überführung hinübergesprintet und ein gutes Platzerl gesucht. Dieses war vor allem nach Madgaon, wo die meisten Pendler ausstiegen, leicht zu finden.
Mehr Szenen zur Fahrt findet man im Video ab 1h 35:55.
56962 VSG KULEM PASSENGER
1 VSG Vasco Da Gama 07:35 SWR 0 1
2 DBM Dabolim H 07:39 07:40 1 SWR 5 1
3 SKVL Sankaval 07:44 07:45 1 SWR 8 1
4 CSM Cansaulim 07:49 07:50 1 SWR 13 1
5 MJO Majorda 07:59 08:00 1 KRCL 17 1
6 SRVX Suravali H 08:05 08:06 1 KRCL 21 1
7 MAO Madgaon 08:09 08:11 2 KRCL 28 1
8 CNR Chandar Goa 08:19 08:20 1 SWR 37 1
9 SVM Sanvordem Chuch 08:28 08:30 2 SWR 44 1
10 KM Kalem 08:44 08:45 1 SWR 54 1
11 QLM Kulem 09:10 Last Stn SWR 62 1
In Madgaon wartete eine nordfahrende RoLa mit Pune WDG-3A 14565 an der Zugspitze, an den Türen des Regionalzugs scharrten schon die Pendler in den Startlöchern.
Die Konkan RoLas unterschieden sich von den europäischen Cousinen durch die Absenz eines Begleitwagens, wodurch sämtliche Fahrer in den LKW-Kabinen bleiben mussten. Dies führte zu Morgentoilette in Stationen und Erleichtern direkt vom Waggon hinab.
Die Feuerwehr von Madgaon hinter dem Bahnhof, welcher sich am südwestlichen Ende der Stadt befand, von Majorda kommend musste sie also umrundet werden. "HP" Gas bezieht sich übrigens auf Hindustan Petroleum.
Anschließend bog mein Zug ins Landesinnere ein, während die Konkan-Strecke weiter die Küste entlang nach Süden führte. Zunächst ging es gerade durch flaches Land, teils tropisch grün, teils verdorrt, vorbei an mangels Tourismus deutlich ärmeren Ortschaften.
Mein kleiner Sitznachbar gegenüber in der Station Chandor.
Ich rechnete eventuell mit einer Zugkreuzung, doch es kam nichts.
Wir fuhren an ausgedehnten Palmenhainen mit für Grün sorgenden Flussarmen vorbei.
In Sanvordem, der größten Zwischenstation der Strecke Madgaon - Kulem, erwartete uns wieder gähnende Leere auf den Durchfahrtsgleisen, nicht jedoch am Bahnsteig, wo offensichtlich eine ganze Schule auf Samstagsausflug ging.
Auf den Abstellgleisen: wieder einmal Plasser.
Nun ging es auf kurvigerer Strecke unter ALCO-Knattern weiter Richtung Kulem.
Nicht, dass ich ab Sanvordem allein gewesen wäre, aber es war ja nur noch ein kurze Fahrt... ;-)
In der Region um den nächsten Ort, Kalem (gar nicht verwirrend), wurde Mangan und Eisenerz abgebaut, man sah einige ArbeiterInnen mit Hacken herumlaufen. Durch den erzhältigen Boden war die gesamte Gegend in roten Staub gehüllt, man kann sich das fast nicht vorstellen, aber es wurden ganze Wälder von einer roten Staubschicht bedeckt!
Angekommen in Kulem - mit U - , und ja, das Bild ist gerade!
Die Schule musste nun aus dem Regionalzug, der auf einem wohl in den Boden eingesackten Stumpfgleis eingefahren war, aussteigen.
Es standen drei Güterzüge zur Bergfahrt bereit, allerdings waren noch keine Nachschiebemaschinen vor Ort, Dreierpärchen Hubli WDG-4 waren im Einsatz, auch wurden die meisten Güterzüge GM-bespannt. Ich machte mich gleich auf zum Jeepstand im Ort, denn heute war mein nächstes Traumziel auf der Liste: die Dudhsagar-Fälle, welche von der Bahn mittels Brücke überquert wurden. Man konnte dorthin 10 Kilometer wandern, auf einer Schiebelok mitfahren oder aber einen Jeep in den Nationalpark mieten. Da ich am Nachmittag anderes geplant hatte, entschied ich mich für die teure Variante (etwa 30 Euro für den ganzen Jeep, einen Bruchteil davon, falls man auf andere Touristen zum Teilen wartete) - wenn man ein Mal im Leben hier war, musste man ja nicht knausrig werden. Sofort setzte sich mein Jeep mit Fahrer und Führer in Bewegung, ich wollte zum Personenzug um 12:20 wieder hier sein. Zudem sollte der nur einmal wöchentlich verkehrende Express aus Chennai um 11:00 in Kulem ankommen, und ich wollte unbedingt einen Zug am Wasserfall erwischen. Hier konnte man auf einen Güterzug warten, ansonsten musste man auf die spärlichen Expresszüge hoffen. Es begann eine 45-Minuten-Fahrt über 10 Kilometer, teils auf sehr rauhen Forstwegen, manchmal auch durch Flüsse. Doch ich hatte einen sehr modernen Jeep und guten Fahrer, so war es kein Problem. Nur eine begrenzte Anzahl an Jeeps besaß eine Lizenz für den hier beginnenden Mollem Nationalpark (siehe
http://en.wikipedia.org/wiki/Bhagwan_Mahaveer_Sanctuary_and_Mollem_National_Park ), sie wurden im Rotationsprinzip von einem Dispatcher eingeteilt, welcher auch die Gebühren kassierte. Bei der Einfahrt zum Nationalpark musste man noch einmal Eintritt und Kameragebühren berappen, doch dann gab es keine Hindernisse außer den natürlichen mehr. Überall entlang der Straße hatten Trichternetzspinnen ihre Fallen gebaut. Es sollte hier auch massenhaft Schlangen geben, Kobras, Pythons, Klapperschlangen inklusive, Leoparden ebenfalls. Wir passierten die Bahnstrecke im Wald kurz nach Kulem niveaugleich.
Eine Flussquerung.
Haben Sie ein Problem? Termitenbefall? ;-)
Cashewbaumblüte, mit roter Staubschicht.
Ein paar Menschen lebten oder arbeiteten doch im Nationalpark, hier eine Cashew-Farm, die Nüsse wurden zu Alkohol destilliert - die Hütte könnte aber auch direkt aus einem Western stammen, mit dem Grab des unbekannten Fremden davor!
Auf einer Lichtung sah ich erstmals die Schleife der Bahn am gegenüberliegenden Berghang, nach Umrundung des Tales hatte sie schon beträchtlich an Höhe gewonnen.
Und ein erster Blick auf den obersten Teil der Dudhsagarfälle durch die Urwaldbäume am Talende.
Anschließend erreichten wir den Parkplatz nahe der Fälle. Es waren schon einige Jeeps geparkt, davor hatte ich keine anderen Menschen oder entgegenkommende Vehikel gesehen. Von hier musste man noch 100 Meter gehen, durch recht traumhaften Dschungel, wenn auch von Menschenhand nicht unberührt. Einige Affen waren hier heimisch, angelockt durch die Menschenpräsenz. Knapp vor Erreichen des Wasserfall-Blickes hörte ich ein Zugpfeifen ober mir, ich nahm die Beine in die Hand, rannte über Steine - würde es reichen, um den nur einmal wöchentlich verkehrenden Express aus Chennai zu erwischen?
Im nächsten Teil wird es dann ohne Stress ordentlich Zeit für mit der großen Kamera aufgenommene Dschungel-Impressionen geben - und die Fahrt zum Traumstrand!