Hallo!
Zum vorherigen Teil der Serie:
Rumänien 2015 - 14: Kloster-Express (50 B.)http://www.mstsforum.info/index.php?topic=3727.0Zum Video:
https://youtu.be/f2aVp_q6rT44. 4. 2015Samstagfrüh begaben wir uns um 7:15 zum Bahnhof Sibiu, die Silhouette der Kreuzkapelle am Bahnhofsplatz neben dem Busbahnhof zeichnete sich vor der schönen Morgenstimmung ab. Plötzlich hörte ich ein GM-Grummeln und ein unbekannter Zug rollte hinter einer 65er in den Bahnhof ein.
Am Bahnsteig angekommen, wurde das Gebäude gerade herrlich beleuchtet.
Welcher mysteriöse Zug war eingefahren? - Nun, der fast eine Stunde verspätete "Ister" aus Budapest! Dies war aber eigentlich der einzige gesichtete Fall einer gröberen Verspätung auf dieser Reise.
Um 7:19 setzte 65-0943 ihre Fahrt bis Brasov fort - man möge sich die Lok für spätere Berichte merken... :0)
Rechts erkennt man zwei ehemalige DB-614er-Garnituren zur Abfahrt in verschiedene Richtungen als R 2561 nach Medias und der bereits bekannte R 2512 nach Fagaras. An Gleis 5 stand der ebenfalls wohlbekannte R 2068 mit dem "seltsam lackierten" Waggon im Zugverband bereit.
Heute ging es für uns nach Nordosten, per R 2561 nach Medias (Mediasch), ab Sibiu über die Kursbuchstrecke 208 bis Copsa Mica (Kleinkopisch). Durch offene Landschaft fuhren wir im modernisierten 614er, der jedoch das bereits bekannte Problem hatte, dass manche Türen sich nicht zuverlässig schlossen. So musste man manchmal während der gesamten Fahrt zwischen Halten das durchdringende Piepen der Türschlusseinrichtung ertragen, gelegentlich schaffte es die Tür jedoch ganz zu schließen.
In Copsa Mica erreicht man die Hauptstrecke nach Brasov - wo sonst die Nachtzüge verkehren würden - , welche aktuell laut einer Schautafel um 4.989.141.626 Lei saniert wird, etwa 2/3 finanziert davon die EU. Ein Bauzug mit 80-0532 stand vor der Kulisse der seit 2008 nur noch instand gehaltenen Buntmetallhütte, einer der Gründe warum dieser Ort zu den vergiftetsten Europas zählt.
In Medias ist wie in den meisten Stationen entlang der Hauptstrecke der Umbau der Bahnsteige voll im Gange, wir kamen am improvisierten Hausbahnsteig an.
Bei der seltsam westernartig anmutenden Beschriftung des Hauptgebäudes schien sich jemand einmal einen Scherz erlaubt zu haben...
Vom Bahnsteig hinab ging es über Treppen auf den Bahnhofsvorplatz, wo wir sofort die Taxis ansteuerten. Mit einem netten, älteren Taxifahrer arrangierten wir einen Ausflug um 80 Lei (etwa 18 Euro) für 50 km Fahrt und 2 Stunden vor Ort.
Es ging nach Biertan, welches auf Deutsch den etwas seltsam anmutenden Namen Birthälm trägt, mit seiner prominenten, als UNESCO-Weltkulturerbe eingestuften Kirchenburg.
Mehr dazu findet man hier:
https://de.wikipedia.org/wiki/BiertanEin 3D-Plan der Burg:
http://raildata.info/rum15/rum151500.jpgUm 9:30 hatten wir noch eine halbe Stunde bis die Burg für Besichtigungen öffnete, also spazierten wir durch die sehenswerten Dorfstraßen.
Die Kirchenburg in voller Pracht. Die turmlose spätgotische Kirche entstand 1492-1516, der Großteil der Burg mit mehreren Verteidigungsringen ebenfalls im 16. Jahrhundert zur Blütezeit Birthälms. Damals wohnten mit 5000 Menschen mehr Leute hier als in der heutigen Stadt Mediasch, 1572 - 1867 hatte die evangelische Kirche Siebenbürgens ihren Sitz in Birthälm.
Diesen kleinen, humpelnden vierbeinigen Begleiter konnten wir während der gesamten Dorfrunde nicht abschütteln, nur in die Burg traute er sich dann nicht mehr. Die grellen Mistkübel fanden sich an jeder Dorfstraße, unbeachtet des Straßenzustands. Der Hauptplatz des Ortes ist jedoch schön hergerichtet und bietet touristische Annehmlichkeiten, sogar eine Pizzabude.
Pünktlich um zehn trudelten wir am Eingang ein, gleich neben der Bücherei "Sachsenbischof". Durch diesen überdachten Wehrgang ging es hinauf in die Burg.
In der Ostbastei befindet sich ein kleines Museum, das im Mittelalter einst als "Ehegefängnis" gedient haben soll. Eheleute, die sich scheiden lassen wollten, wurden dort angeblich mit nur einem Gegenstand jeder Sorte - von Bett, Sessel, Tisch bis zu Teller und Besteck - eingesperrt. Einige andere Touristen fanden ebenfalls Unterschlupf vor einem der kurzen, plötzlichen Schneeschauer, die wir schon in den letzten Tagen durch das Land hatten ziehen sehen.
Als Nächstes besichtigten wir die Kirche. Speziell ist die Sakristeitür aus 1515, welche durch ein Schloss mit dreizehn Riegeln verschlossen werden kann. Dieses wurde sogar 1900 auf der Weltausstellung in Paris ausgestellt.
Der massive Flügelaltar mit 28 Tafeln wurde 1483 - 1525 in Siebenbürgen angefertigt und bleibt stets geöffnet.
Ebenso interessant ist das Renaissance-Chorgestühl und die ungewöhnlich närrisch verzierten Bogenabschlüsse im Gewölbe.
Die Steinkanzel stammt von 1523/24 aus Brasov (Kronstadt).
Von der Burg aus eröffnen sich schöne Dorfblicke.
Um halb zwölf machten wir uns auf den Rückweg nach Medias. Überall in Rumänien findet man diese Plakate, es wird streng gegen Korruption vorgegangen, und es scheint Wirkung zu zeigen.
Die Hauptstraße Richtung Medias führt entlang der Strecke aus Brasov, auf und abseits der Bahn wurde gebaut.
In Medias setzte uns der Taxifahrer am Hauptplatz - Piata Regele Ferdinand I - ab.
Wie schon in Sibiu deuten die kleinen Türmchen am (schiefen) Trompeterturm der Margaretenkirche den Status der Stadt an.
Mehr über Stadt und Kirche findet sich hier:
https://de.wikipedia.org/wiki/Media%C8%99Fenster-Fund.
Der Steingässerturm an der weitläufig erhaltenen Stadtbefestigung.
Als Nächstes schauten wir uns nach einem Plätzchen zum Mittagessen um, doch Medias bietet in der Hinsicht für einen Ort mit touristischen Ambitionen herzlich wenig. Ein Restaurant war schon voll, letztendlich blieb uns nur die Trattoria Roma am Hauptplatz (welche natürlich nicht nur italienische Küche anbietet). Leider litt sie unter der für Rumänien typischen Plage des fehlenden Nichtraucher-Schutzes, die Haupträume der meisten Lokale sind verqualmt wie in Mitteleuropa zuletzt vor Jahrzehnten.
Wir übertauchten einen Regenschauer im Lokal und wagten uns danach wieder trotz freilaufender Axt-Käufer auf die Straße.
Nun hofften wir mit der Margaretenkirche - einem der bedeutendsten Sakralbauten Rumäniens - auf den nächsten Höhepunkt, doch stattdessen gab es nur bittere Enttäuschung. Von Karfreitag bis Ostersonntag - also praktisch dem höchsten kirchlichen Feiertag! - waren sowohl Kirche als auch Pfarramt geschlossen... Da sah man, welche geringe Rolle die evangelische Kirche nur noch im alltäglichen Leben spielt und wie wenige Sachsen hier noch leben.
Wir setzten unseren Runde schon langsam Richtung Bahnhof fort. Im Süden der Altstadt ist ein längeres Stadtmauerstück erhalten, direkt im Schmiedgässerturm auf mehreren Etagen befindet sich das Art Café. Wir kehrten ob des eher nassen Wetters noch einmal ein, sowohl selbstgemachte Limonade als auch weiße Trinkschokolade erwiesen sich als vorzüglich. Anschließend folgten wir einer verkehrslosen Trolleybusstrecke an der Synagoge vorbei zurück zum Bahnhof, wo schon Menschenmassen warteten. Man entdecke das Billasackerl... ;-)
Hinter dem im Bau befindlichen neuen Bahnsteig sichtete ich doch fahrende Trolleybusse einer anderen Linie.
Die meisten Passagiere stürzten sich in einem Potpourri aus Lidl- und Billasackerln glücklicherweise auf den 1-Wagen-R 3502 Copsa Mica - Brasov. Für uns kam wieder ein ex-614er aus Sighisoara als R 2568 nach Sibiu.
Sogar dafür kann man den Tschick nicht einmal weglegen...
Streckenneutrassierung bei Târnava, in Copsa Mica standen die alten Bahnhofsignale schön beisammen.
Wir warteten darauf, von R 3513 Medias - Teius wieder eingeholt zu werden, ...
... sowie auf die Kreuzung mit R 2565 Sibiu - Medias bestehend aus 60-0908 und sechs Wagen.
Landleben in Agârbiciu.
Die Hochebene um Sibiu mit Blick auf das Fagaras-Gebirge wurde erreicht, in Ocna Sibiului kreuzten wir IR 1737 Râmnicu Vâlcea - Cluj, mit dem ich im Winter gefahren war.
Wieder einmal boten sich herrliche Blicke auf das Lichtspiel in der weiten Landschaft durch herumziehende Schauer.
Nächstes Mal widmen wir uns noch unbekannten Teilen Sibius und begegnen ein paar Mal unserem Lieblingszug - dem Dacia! :-)