Hallo!
Zum vorherigen Teil der Serie:
Urlaub in Rumänien 2015 - 17: Budapest - Brasov (50 B.)http://www.mstsforum.info/index.php?topic=3739.0Zum Video:
https://youtu.be/4dl-qDnduFMDer Fahrplan für diesen Teil:
Brasov ab 7:35 IR 10804
Constanta an 12:59 +20
2. 8. 2015Wir befinden uns am Tâmpa, dem Hausberg Brasovs, und entschieden uns hinunter zu gehen. Unterwegs wird die Seilbahn ein paar Mal in Serpentinen unterquert. Ansonsten geht der Weg nur am steilen, steinigen Hang entlang durch den Wald und ist kein kurzer Spaziergang. Vor allem verlaufen die Abschnitte zwischen den Serpentinen seltsam flach, so dass man ziemlich weit gehen muss, um an Höhe zu verlieren.
Etwas graffitierter Kapitalismus.
Doch auch an die Wanderer, die die Gondel ein paar Sekunden von unten sehen, wurde gedacht...
Zurück in der Stadt brauchten wir dringend Flüssiges und setzten uns kurz vor das "deutsche" Bierlokal "Die Stube". Die in Endlosschleife gespielten deutschen Schlager waren selbst im Garten nur schwer auszuhalten, als plötzlich zur Abwechslung STS an die Reihe kam. ;-)
Facetten Brasovs.
Die "Casa Hirscher" (oder "Hyrser", wie die lateinische Inschrift über dem Eingangstor verkündet) am Marktplatz wurde 1539-45 errichtet.
Danach stand als Hauptbesichtigungspunkt die Schwarze Kirche auf dem Programm, bezeichnet als "größter Sakralbau zwischen Stephansdom und Hagia Sophia" - was auch zutreffen könnte, auf jeden Fall der bedeutendste gotische Bau Südosteuropas.
Mehr darüber erfährt man hier:
https://de.wikipedia.org/wiki/Schwarze_Kirche_(Bra%C8%99ov)
Wichtig ist die Sammlung an sogenannten Siebenbürger Teppichen, mit denen der Innenraum der Kirche drapiert ist - klarerweise eigentlich Orientteppiche, jedoch waren speziell Brasov und Siebenbürgen im Allgemeinen aufgrund der geographischen Lage stets Schnittpunkt der Handelsrouten zwischen Europa und dem Osmanischen Reich.
Im Inneren der Kirche darf man nicht fotografieren, hier ein Bild:
https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Schwarze_Kirche_zu_Kronstadt.jpgEine aus Brasov stammende Freundin erzählte mir danach, wie sie als Jugendliche stets neben den Teppichen am Chorgestühl gesessen war.
Rechts im Bild eine 1898 zum 400. Geburtstag des Siebenbürger Reformators Johannes Honterus (1498 - 1548) errichtete Statue, unser Rumänien-Buch erwähnte extra den zweimaligen Diebstahl von Tafeln am Sockel.
"Hier mögen gelehrte und gute Menschen lehren, und keiner möge herauskommen, der nicht gelehrt ist oder unanständig und böse (den Unterricht) hört." (Übersetzt aus dem Lateinischen, einige hervorgehobene Buchstaben des Texts ergeben die Jahreszahl 1822.)
Fromme Wünsche und eine interessante Verbindung zur Heimatstadt.
Abendlicht am Marktplatz, hier das Rathaus.
Vor unserer Unterkunft.
Unser erstes richtiges Abendmahl der Reise, wir setzten uns auf den Platz vor dem Restaurant der Casa Hirscher. Rechts eine Hälfte unseres Zimmers in der Casa Wagner mit alter Holzbalken-Decke.
Abendlicher Blick aus dem Fenster, am Platz war schon einiges los, später konkurrierten zwei Live-Konzerte.
3. 8. 2015Die ersten Strahlen der Morgensonne erleuchteten am Montag die wichtigsten Gebäude.
Wir nahmen ein Taxi zum Bahnhof, auf den Marktplatz konnte es natürlich nicht fahren um uns abzuholen, aber an der nächsten Straßenecke klappte es. Vor dem Bahnhof verkehren auch Trolleybusse, ich verweilte kurz, doch es zeigte sich in dem Moment keiner.
Der überlange, etwa 20 Minuten verspätete Nacht-IR 1934 Satu Mare - Bukarest wartete am Bahnsteig noch auf Abfahrt.
Pünktlich um 7:14 rollte R 3023 aus Ploiesti heran (wichtig im Rumänischen zu merken: das i am Wortende wird nach Konsonanten nicht separat ausgesprochen - gilt für einige Städte, allen voran natürlich Bucuresti - "Bukurescht", wobei das t am Ende palatalisiert ausgesprochen wird).
Vor dem zentralen Stellwerk findet sich die Denkmallok 150.1114 - zwei in Cluj und Viseu sind aus dieser Serie ja schon bekannt - nur ist dies kein rumänischer Nachbau, sondern eine ex DR 50er, die über die UdSSR zur CFR gelangte.
80-0476 hatte die Garnitur unseres aus modernen Tagesschnellzugwagen bestehenden IR 10804 Brasov - Constanta bereitgestellt.
Wir nahmen die per Internet gebuchten Plätze im hintersten Wagen ein, so hatte ich auch eine schöne Möglichkeit die bevorstehende Bergstrecke entlang des Bucegi-Gebirges zu genießen. Meist fährt man zu Beginn jedoch durch einen Waldtunnel, vor allem im Sommer mit überbordender Vegetation.
Mehr über die Geschichte der Bahnstrecke findet man hier:
https://de.wikipedia.org/wiki/Bahnstrecke_Ploie%C8%99ti%E2%80%93Bra%C8%99ovIn Predeal haben wir Siebenbürgen verlassen und die einstige Grenze Ungarn - Rumänien überquert. Der höchste Punkt der Strecke auf 1054 m Seehöhe wird von markanter Bergspitzen-Dreiecks-Architektur markiert, wie sie auch anderswo im ehemaligen Ostblock oder ex-Jugoslawien zu finden ist.
Mit der kleinen Kamera fotografierte ich hinten heraus, in Predeal überholten wir einen GFR-Güterzug. Ebenso begegneten wir einigen auf der Strecke, für weitere Impressionen der Fahrt siehe Video ab Minute 6:37.
Ab nun folgten wir auf modernisierter Strecke dem Prahova-Tal durch weitere bekannte Orte. In Azuga stieg ein Beerenverkäufer zu, dessen Erfolg jedoch eher mäßig ausfiel.
Bei Busteni passiert man die massivsten Berge des Bucegi-Gebirges, erreichbar per Seilbahn. Auf der 2384 m hohen Caraiman-Spitze befindet sich das 31 m messende Crucea Eroilor.
Ab Ploiesti bis Bukarest Nord düst man nur noch durch die Walachische Tiefebene, wir erreichten pünktlich den Kopfbahnhof Bukarest Nord. Bei der Einfahrt passierten wir einen Softronic "Phoenix" in Blau-Gelb-Rot, welcher unseren Zug bis Constanta übernehmen würde - im Hintergrund ist die rote Front zu sehen. Exakt in dem Moment verließ ein schöner TFC-Zug die Station, bestehend aus zwei dreiteiligen ex-DB 624ern. Auch die sozialen Verhältnisse werden einem in Bukarest gleich am Bahnsteig deutlich, einige Leute schlafen hier auf Bänken.
Wir ließen Bukarest für diese Reise aus, weiter ging es Richtung Schwarzes Meer. Einige Urlauber stiegen in der Hauptstadt zu - einer war begeistert, als ich ihm zeigte, dass Koffer in Großraumwagen auch zwischen die Sitzreihen passen. Bis auf einen kurzen betriebsbedingten Halt auf der Strecke ging es nun nonstop durch bis Fetesti (Wie war das noch? Kein "i"! ;-)) an der Donau. Ich ging zum fotografieren und filmen in den Türbereich, wo ich auf eine ältere Dame und einen Jungen traf, die beide genüsslich rauchten und sich gleich meine Meinung dazu anhören mussten. Noch dazu wurden die Zigarettenstummel entsorgt, indem während der Fahrt die Waggondurchgangstüre direkt hinter der Lok geöffnet wurde... kurz danach ging dort eine Mutter mit ihrem kleinen Kind auf die Toilette vorbei. Bei der BDZ bemerkte ich, dass dieses Verhalten dadurch verhindert wird, indem die Türgriffe an den Zugenden einfach zusammengebunden werden.
Die Donau ist in diesem Abschnitt in zwei Arme geteilt, hier der Borcea-Arm.
Bald danach wird der Hauptarm erreicht, zwei Gleise führen über eine kombinierte Straßenbrücke, eines über ein wesentlich schmuckeres Stück - hier wurde gerade gebaut. Danach erreicht man Cernavoda und überquert auf einer weiteren großen Brücke den Donau-Schwarzmeer-Kanal. Über die Brücken und dazwischen - wohl auch wegen der Bauarbeiten - zuckelte der Zug, sonst geht es von Bukarest bis Constanta mit mitteleuropäischen Hauptbahngeschwindigkeiten. Durch Medgidia rasten wir geradezu, Kutter mit Güterzug konnte ich aber zumindest auf Video einfangen (ab Minute 9:19).
Nach etwas weiterer Wartezeit an der Einfahrt kamen wir ca. 20 Minuten verspätet in Constanta ("Konstanza") an. Vor Ort war ein interessantes Potpourri aus Fahrzeugen unterschiedlichen Alters anzutreffen: Links der Softronic "Hyperion" Zweisystem-Triebzug, der täglich für das firmeneigene EVU Softrans zwischen seiner Hersteller-Heimat Craiova und Constanta pendelt, in der Mitte verschob gerade unser Softronic "Phoenix" 473 004 - umgebaut aus 40-2004 - und rechts ist eine Regio Trans ex-SNCF RIO Garnitur zu sehen. Wieder einmal erleichterte mir ein iPhone-Panorama das Leben.
Eine wartende GM für die Weiterfahrt auf der Diesel-Küstenstrecke Richtung Mangalia spiegelte sich im "Hyperion".
Volle Farben-Federpracht bei "Hyperion" und "Phoenix".
Am Urlauber-Knotenpunkt herrschte in der Mittagshitze großer Betrieb, manche hatten für die Wartezeit vorgesorgt.
Auch alte Kutter und Bauzüge waren anzutreffen.
Wir gaben unsere Koffer an einer freundlich bemannten Gepäcksaufbewahrung auf, dann stürzten wir uns in den schon ziemlich balkanesisch anmutenden Trubel am Bahnhofsvorplatz.
Wir nahmen einen Bus ins Stadtzentrum, die Haltestelle in diese Richtung befindet sich über der Straße am Beginn des Bulevardul Ferdinand. Zum Zentrum führt beispielsweise die Linie 2-43 nach Tomis Nord. Bis 2008 verfügte Constanta über eine erst 1984 errichtete Straßenbahn, auch über Trolleybuslinien, doch heutzutage wird alles nur noch per Autobus betrieben.
Am Gebiet von Constanta befand sich einst die antike griechische Stadt Tomis, wir stiegen am Rathauspark (Station "Fantasio") aus, wo man auch einen archäologischen Teil vorfindet. Der Name Constanta stammt von Constantiana, laut manchen Quellen als ein nach der Halbschwester Kaiser Konstantins - der uns auf dieser Reise natürlich noch öfter begegnen wird - benanntes Fort in der Nähe von Tomis gegründet, dessen Name später für die moderne Stadt an dieser Stelle genutzt wurde.
Mehr über die Geschichte Constantas:
https://de.wikipedia.org/wiki/Constan%C8%9BaVerfallene und moderne Hafenstadt, der größte Hafen am Schwarzen Meer.
Mit einem Namen ist Constanta untrennbar verbunden - und in Rumänien so populär, dass viele Kinder ihn tragen: Das Römische Reich erstreckte sich bis hierher und noch ein Stück weiter, und in diese ferne, nur nach langwieriger Schiffsreise erreichbare und, ja, barbarische Gegend verbannte Kaiser Augustus gnadenlos den an das Stadtleben im luxuriösen Rom so gewöhnten Dichter P. Ovidius Naso. Man ließ ihn dort auch sterben, und so steht sein Denkmal nun auf seiner weiten Piata Ovidiu vor dem architektonischen Stilepochen-Sammelsurium des archäologischen Museums: Ovid in versonnener Pose. Die Inschrift verweist auf sein Grab, dessen Lage man jedoch nicht kennt, und auf seine Liebesdichtung, angeblich ein Grund für den Bannspruch des Kaisers. Hier, am Ende der Welt, berichtete er sogar von einem zugefrorenen Schwarzen Meer.
Der Standort ist Geschichtsperioden-übergreifend, denn von einer Seite her gesehen ragt gleich hinter Ovid die Carol I.-Moschee (Marea Moschee) auf.
Nach zwei Tagen Reise endlich am Meer! :-)
Empfehlenswert ist der Besuch des Minaretts der 1910-12 unter dem rumänischen König Karl I. errichteten Marea Moschee, von hier hat man einen 360°-Blick über die Altstadt-Halbinsel Constantas. Unten rechts in der Ferne ist der Beginn des bekanntesten rumänischen Strandresorts - Mamaia - zu entdecken.
Aus Richtung Hafen blinzelten uns DB-Schenker-Waggons entgegen. Am Rande des Hanges Richtung Hafen neben dem archäologischen Museum befindet sich eine Halle mit einem riesigen 2000 Quadratmeter großen Bodenmosaik einer römischen Villa aus dem 4. Jhdt., die Aufsichtsdamen waren über den wohl seltenen Touristenbesuch deutlich erfreut.
Constanta ist ein Zentrum der turko-tatarischen Minderheit in Rumänien, 6% der Bevölkerung ist muslimischen Glaubens.
An der Spitze der Halbinsel gelangt man zur Uferpromenade und zur prominentesten Sehenswürdigkeit der Stadt, dem 1910 errichteten Casino. Der Bau befindet sich jedoch nicht in gutem Zustand und wird nicht genutzt, obwohl er aktuell renoviert werden soll.
Das Denkmal einer interessanten Frau ist an der Promenade auf die Weite des Meers hin gerichtet. Es handelt sich um Königin Elisabeth, einer Zeitgenossin der österreichischen Kaiserin Elisabeth alias Sisi, die nicht einfach Ehefrau eines rumänischen Königs (beide aus deutschen Adelsgeschlechtern stammend), sondern künstlerisch aktiv (unter dem Nom de Plume "Carmen Sylva") und sozial engagiert war.
Am Ende der Promenade trifft man auf das als stilisiertes Schiff erbaute rumänische Marinehauptquartier.
Nun wandten wir uns nach einer Erfrischung am nächsten Supermarkt wieder stadteinwärts - die Hotels der Altstadt scheinen schon bessere Zeiten gesehen zu haben, der Massentourismus spielt sich an den Stränden um Constanta herum ab.
Doch man findet ebenfalls schön restaurierte Gebäude.
Und das Leben an der neuen Fußgängerzone entlang des Bulevardul Tomis lockt auch Katzen in der Nachmittagshitze unter dem Auto hervor.
Um vier Uhr kehrten wir zum Bahnhof zurück und kauften noch etwas Obst an einem Stand ein.
Um 16:15 setzte sich der Softrans "Hyperion" als Zug 15981 nach Craiova in Bewegung. Und wohin fuhr die alte RIO-Garnitur in dieser Hitze? Nun, den gesamten Weg, den wir im klimatisierten IR vormittags bequem zurückgelegt hatten: als Regio Trans 14039 bis Brasov!
Nächstes Mal geht es an den Strand und an die Dieselpiste! :-)