Autor Thema: Winterlicher Osten '18 - 22: Schneetag in Chișinău (50 B.)  (Gelesen 8265 mal)

Roni

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Hallo!



Zum vorherigen Teil der Serie:
Qualmender Osten '03-'16 - 21: Abschied von Czernowitz (50 B.)
http://www.mstsforum.info/index.php?topic=3888.0


Das Video zu dem Teil:
https://youtu.be/ApzYd_Lzrcg



Für die heurigen Osterferien hatte ich vage geplant, spontan nach Rumänien zu fahren. Ich schaute mich noch nach Möglichkeiten um und fand vier Wochen vor der Reise ein Angebot um zumindest kurz rein zu schnuppern, wo ich schon länger hin wollte...
Vor der Reise herrschte immer wärmeres Herbstwetter, dann der Blick auf die Prognose - Minusgrade? Schnee? In der zweiten Märzhälfte?


19. 3. 2018

Bei noch schneefreier Kälte fuhren wir Montag Früh nach Wien Schwechat, wo die Air Moldova Embraer 190 pünktlich aus Chișinău (deutsch: "Kischinau") eingetroffen war. Gerade führte die Austro Control eine ausführliche Inspektion durch, also mussten die Fluggäste eine Weile im Bus warten.




Der zwei Mal wöchentliche Flug 868 führte uns meist über Wolken, die erst bei den Karpaten Lücken zeigten. In Chișinău landeten wir inmitten einer durchgehenden Schneedecke. Am Samstag hatte es noch 12 Grad gehabt, auf einem Webcam-Schnelllauf konnte man verfolgen, wie sich erst ab Sonntag Vormittag binnen kürzester Zeit das Weiß durchsetzte.




Mehr über die Stadt hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Chi%C8%99in%C4%83u

Um auf das Land hinaus fahren zu können hatte ich für zwei Tage einen Mietwagen gebucht. Wir bekamen von Hertz einen neuen Kia Rio, der mir jedoch für moldawische Verhältnisse - besonders im Winter - etwas zu tief gelegt vorkam. Auf der Flughafenstraße fahrend und den ersten Schlaglöchern ausweichend erreichten wir nach ein paar Kilometern das Hochhaus-"Stadttor" am Beginn des Bulevardul Dacia.




Zunächst hielten wir beim Hauptbahnhof zwecks Fahrkartenkaufs für die Weiterreise (Ticket-Scan folgt in der Serie), dann ging es zu unserem im Norden der Stadt jenseits der Bahnstrecke gelegenen "Shadow Boutique Hotel and Spa". Es war recht nett und höher gelegen, zudem mussten wir zum Zimmer drei Stöcke erklimmen. Doch die Aussicht vom Balkon zahlte sich aus. Die Sonne schien, doch leider kann man sich in Moldawien nicht einfach zum Eisenbahnfotografieren entscheiden, denn es verkehren nur eine Handvoll Züge täglich. Später am Nachmittag fuhren wir dann ein wenig hinaus, das Resultat wird es aber erst im übernächsten Bericht zu sehen geben, den ich thematisch ordnen werde. Am Abend genossen wir eine erste lokale Jause aus dem gut bestückten Supermarkt in der Nähe. Besonders der Brotkranz war ausgezeichnet, dazu gibt es in einer Weinregion - welche ehemals Teil des osmanischen Reiches war - auch gefüllte Weinblätter zu verkosten.





20. 3. 2018

Eigentlich hätte der Dienstag voller Ausflugstag werden sollen, fast nach Ungheni hätte es gehen können. Doch es waren stärkere Schneefälle noch bis in die Abendstunden vorhergesagt, also hatte das alles leider keinen Sinn. Stattdessen wurden wir mit dem Erlebnis "Sibirien light" beglückt, auch eine sehr spezielle, fotogene Stimmung, die man nicht so erwarten hätte können.

So konnte ich gemütlich nach halb neun erstmals vor das Hoteltor. Momentan fiel weniger Schnee, doch geräumt wurden gerade einmal die Trolleybushaltestellen - hier die Station Circul.
Mehr über das Trolleybussystem der Stadt erfährt man unter anderem hier (auf Englisch): https://en.wikipedia.org/wiki/Trolleybuses_in_Chi%C8%99in%C4%83u
und hier: http://transphoto.ru/city/174

Rechts ZiU-682V-012 #3777 von 1989 in Werbelackierung, links einer der neu von der weißrussischen Belkommunmasch gelieferten BKM 321, #1291 aus dem Jahr 2011. Die erste Ziffer der Nummern bezeichnet Trolleybus-Depot 1,2 oder 3.




Auf der anderen Seite des Bulevardul Renașterii Naționale ("nationale Renaissance") befindet sich der ehemalige Staatszirkus, gebaut 1981, die Clownskulpturen über dem Eingang stammen von 1988. Der Zirkus ist unbenutzt, zumindest eine kleine Arena daneben wieder aktiv.




Ich ging zur Brücke über die Bahn.




Pünktlich um 8:50 kam Regionalzug 825TSCH nach Ungheni, die erste Station Visterniceni liegt gleich hinter der Kurve. Hier trifft modern auf alt.




Auf den zweiten Blick sieht man, dass "modern" vielleicht doch nicht so zutrifft, denn es handelt sich bei den CFM D1M nur um 2012 von Electroputere modernisierte urige D1, an der Dachpartie leicht zu erkennen. In Visterniceni wurde ein anderer Zug gekreuzt, der aber thematisch wieder in den übernächsten Reportageteil passt.




Blick den Bulevardul Grigore Vieru Richtung Zentrum entlang, #3010 ist ein ZiU-682V von 1985. Die Brücke überspannt auch den Fluss Bîc - man wird aufgefordert "seinen Fluss zu lieben!".




Zwei BKM 321 spiegeln sich im Café vor dem Zirkus.




Erstaunlicherweise benötigten wir die Dienste dieses Herren auf dieser Reise nicht.




Warten auf die Marschrutka... um 10:50 hatten wir gefrühstückt und waren zum Stadtrundgang bereit wieder auf der Brücke angelangt. Es schneite stärker, Frau Holle sorgte für einen Zeitsprung nach...






















... Sibirien in den 70ern?





Schnellzug 047TSCH an geraden Tagen nach Moskau war um 10:50 am Hauptbahnhof gestartet, gezogen von der B-Einheit der CFM 2TE10L-1250. Diese Maschinen waren 1961-77 gebaut worden, das "L" steht für Luhansk, in Russland schied die letzte 1998 aus dem Planbetrieb. Die Fahrplanzeiten haben sich Ende März übrigens geändert. Doch von Sichtungsberichten ist bekannt, dass weiterhin 2TE10L im Personenverkehr aktiv sind.




Trolleybus-Special-Panorama: links ein abgeschleppter Trolleybus auf der Strada Calea Moşilor an der Stelle, wo man zum Hotel abbiegen musste, rechts auf der Brücke eine Fahrschule.
Aus dem Panorama weggelassen habe ich Szenen wie aus dem Krimi, als plötzlich - nur Momente bevor der Zug kam - eine Polizeistreife mit Blaulicht auf den Seitenstreifen unter uns fuhr und drei identische Neuwagen ohne Nummernschild anhielt. Das filmende "dritte Händchen" war davon irritiert, deshalb geriet die Videoszene leider etwas zaghaft. Wir kamen jedoch unbemerkt davon.









Die Wagen sind alle in klassischen Farben und pipifeinem äußerem Zustand gehalten.




ZiU-682V10 #3735 von 1986 kam am verschneiten Boulevard des Weges. Man muss sich schon vorstellen, dass das neben Bussen und Marschrutkas der einzige Massentransport einer über 700000 Einwohner zählenden Metropole ist. Dem Schnee trotzten die Trolleybusse zumindest robust.




Wir folgten dem Boulevard ins Zentrum, rechts ZiU-682V-013 #3792 von 1990.









Dieser BKM 321 warb mit gratis WLAN an Bord.
Die Zahnklinik hatte sich eine strategisch schlaue Position im selben Gebäude zwischen einer Patisserie und einem Zuckerlgeschäft ausgesucht.




Dies ist das Geschäftsviertel des Landes, "Coffee" und "Business Lunch" warteten an jeder Ecke.




Auf der Fußgängerzone Strada Eugen Doga.




Im Kathedralenpark wurde gerade geräumt. Der Glockenturm steht hier separat.




Die Kathedrale der Geburt des Herrn war 1830-36 errichtet worden. Drinnen durfte man nicht fotografieren. Es war sehr stimmungsvoll - ich habe noch selten eine orthodoxe Kirche betreten, wo derart viele Ikonen gleichzeitig bebusselt wurden.









Das "Geräumte" war oft tückisch, denn darunter lauerte manchmal blankes Eis.




Der "Arcul de Triumf" - eigentlich "Heiliger Bogen" - war 1840 anlässlich des russischen Sieges im Russisch-Türkischen Krieg 1829 erbaut worden. Dahinter an der Piața Marii Adunări Naționale (Platz der Großen Nationalversammlung) das Regierungsgebäude Moldawiens.




Blick vom Platz das Bulevardul Ștefan cel Mare și Sfânt entlang. RTEC 62321M1 #2401 ist auch das Belkommunmasch-Modell, allerdings 2013 in Chișinău endgefertigt. Das wird am Rückfenster mancher Busse beworben.









VMZ-5298.00 #3865 war als Prototyp mit Batterie ausgestattet worden.









Stefan III. der Große, oder auch "Ștefan cel Mare și Sfânt" - also groß UND heilig, wird uns noch auf den weiteren Reiseteilen durch das ehemalige Fürstentum Moldau ein steter Begleiter sein - mehr zu ihm später.
Rechts Alexander Puschkin, der hier in den 1820ern zeitweise lebte und die Stadt verabscheute. Jedoch war es ein komplett anderes Chișinău - denn das heute zu sehende war von Sowjets nach den totalen Zerstörungen des zweiten Weltkriegs und eines schweren Erdbebens 1940 großteils neu aufgebaut worden.




In der Stadt der Parks spazierten wir durch den zentralen Stadtpark Stefan der Große.




Nach dem Marsch durch den Schnee - noch dazu hatte ich mich rechtzeitig vor der Reise verkühlt - kehrten wir am Rand des Parks in das "Penthouse Café" ein. Der Wintergarten bietet als besonders nettes Feature lebende Föhren, die in die Konstruktion des Daches inkludiert worden waren. Nach Aufwärmen per Suppe (nette Variation: passierte Rote Rüben-Cremesuppe) aß ich ein Kalbs-Entrecôte, bei den Preisen konnte man es sich leisten.




In der Mittagspause hatten einige Freiwillige begonnen den Platz mit dem Denkmal Stefans vom Schnee zu säubern, dieser wurde in Tüchern weggetragen. Vorbei kam einer der eher seltenen Škodas, 14TrDT/6M #3815 von 2001.




Am Regierungsgebäude der Republik Moldau - wie das Land offiziell heißt - möge man nicht nur auf den Adler achten, sondern auch auf den Auerochsen mit Stern zwischen den Hörnern. Ein klassisches Wappentier Moldawiens, welches uns wieder begegnen wird. Die verwickelte Geschichte der zumindest teilweise kongruenten Regionen Moldau, Bessarabien und Bukowina schauen wir uns dann ebenfalls genauer an.




Vor dem wie vieles EU-Flaggen-geschmückten Rathaus: BKM 213 #1279, gebaut 2005, ist einer der wenigen Gelenkstrolleybusse.




Die Löwen vor dem Orgelsaal wurden gerade vom Schnee gereinigt, leider ließ man uns keinen Blick in eine der schönsten Räumlichkeiten der Stadt machen.




"Kunst" im Schnee.




Am Zentralmarkt.









Ca. 5 Eurocent oder 25 rumänische Bani war ein moldawischer Leu wert.




Etwas für Ikarus-Liebhaber. Zufällig war es Linie 2 nach Cricova - eine der Ausflugsmöglichkeiten für den Tag, allerdings hoben wir uns das meiste für einen ausgedehnten Besuch zur wärmeren Jahreszeit auf.
Rechts ein umgedreht recyceltes Straßenschild.









Ein Waffengeschäft mit Waffenverbot...




Wir gingen an Kliniken vorbei. Wie auch in der bulgarischen Provinz gesehen war man hier kreativ mit Autoreifen gewesen.




"Pericol de electrocutare" und Eiszapfen vertragen sich vermutlich nicht so.




Rushhour an unserer Heimatstation Circul.



Trotz Schneefalls bis in die Abendstunden gab es noch Zugbilder an diesem Tag... im nächsten Teil! :-)
« Letzte Änderung: 25. April 2018, 21:54:24 von Roni »